KONTRA: Die Stadt Wien und ihr flüssiger Bankomat

Abgefallene Herbstblaetter in einem Bach
Abgefallene Herbstblaetter in einem Bachwww.BilderBox.com
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Die Stadt Wien will Bürger vor privatem Eigentum schützen. Geht's noch?

Österreichs Kommunalpolitiker sind dieser Tage hochgradig nervös. Nach dem Wasser drohen nämlich auch noch „heimische“ Schienenstränge dem Brüsseler Privatisierungswahn geopfert zu werden. Wohin das führen wird, weiß Wiens Finanzlandesrätin Renate Brauner (SPÖ): „Profite zu den Privaten, Verluste zur öffentlichen Hand.“ Nun ja, bisher wären die ÖBB zwar nicht so sehr als gut genährte „Cashcow“ aufgefallen, aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass die angeblich orchestrierte „Zwangsprivatisierung“ öffentlichen Eigentums eine dreiste Erfindung österreichischer Politiker ist. Auch künftig wird einzig der Gemeinderat entscheiden, ob verkauft wird oder nicht. Wenn ja, muss EU-weit ausgeschrieben werden. Nicht, um den „Konzernen“ die Tür zu öffnen, sondern, um zu verhindern, dass der Gemeinderat den kommunalen Besitz unter der Hand einem nahestehenden Freund zuschanzt.

Das ist also vor allem einmal eines: eine glasklare Verbesserung der Gesetzeslage. Aber womöglich liegt ja genau darin das Problem? Andernfalls ist nicht zu erklären, warum Kommunalpolitiker wider besseres Wissen gegen eine imaginäre „Privatisierungswelle“ hetzen. Noch dazu mit dem Argument, dass gewisse Angebote vom Staat erbracht werden müssen, um sie leistbar für alle Bürger zu halten. Wie Gesundheit, Bildung, Nahverkehr, Strom oder Müllentsorgung – also die sogenannte Daseinsvorsorge, die nicht der Profitgier privater Anbieter überlassen werden dürfe.


Richtig ist, dass die öffentliche Hand diese Leistungen anbieten kann. Aber nur sie? Ist es nicht vielmehr so, dass ohne private Anbieter das Gesundheitswesen längst zusammengebrochen wäre? Vom Verkehr und der Bildung nicht zu reden. Und wie war das noch einmal mit den günstig anbietenden, weil nicht profitorientiert arbeitenden Gemeinden? Ein kommunales Wintermärchen! Die Wiener Wasserwerke haben in den vergangenen drei Jahren 134 Millionen Euro Gewinn eingestreift. Allein die Umsätze sind in diesem Zeitraum um 40 Prozent gestiegen. Weil die Wiener so durstig waren? Nein, weil dem Gebührenhunger der Stadt keine Grenzen gesetzt sind. Im Jahr 2012 wurde öffentliches Wasser von der Stadt um 33 Prozent verteuert, trotz sprudelnder Gewinne. Mittlerweile liegt die Gewinnspanne der „gemeinnützigen“ Wasserwerke bei 37 Prozent des Umsatzes – davon kann jeder Heuschreckenfonds nur träumen.

Die Stadt Wien nutzt also ihr Monopol, um von „ihren“ Bürgern versteckt Steuern einzuheben, ohne erklären zu müssen, wofür sie das Geld verwendet. Ein beliebtes „Geschäftsmodell“: Die Preise des Anbieters „öffentliche Hand“ sind seit 2001 um 30 Prozent schneller gestiegen als jene der im Wettbewerb stehenden privaten Anbieter. Statt den Menschen zu erklären, warum die öffentliche Hand so viel teurer ist, werden sie mit nicht existenten Bedrohungsszenarien gepflanzt. Im Vorbeigehen wird den Bürgern auch noch erklärt, dass sie nicht dazu gemacht sind, Wohnraum zu besitzen. Schade, denn mit günstigen Darlehen der Stadt Wien könnten die Mieter ihre Gemeindewohnungen kaufen – womit auch die Vermögen „gleicher“ verteilt wären. Aber davor sollen sich die Bürger nun via Volksbefragung ja selbst schützen. Wie gesagt: Die österreichischen Kommunalpolitiker sind dieser Tage hochgradig nervös.

Franz Schellhorn ist Leiter der unabhängigen Denkfabrik Agenda Austria. Zuvor war er Leiter der Wirtschaftsredaktion der „Presse“ und deren stellvertretender Chefredakteur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2013)

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