Juraczka: "Anderswo funktioniert private Müllentsorgung auch"

Manfred Juraczka
Manfred JuraczkaDie Presse
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Der Wiener ÖVP-Chef Juraczka im Interview über die Volksbefragung, Erwin Pröll - und darüber, wie er zur Adoption für gleichgeschlechtliche Paare steht.

Die Presse: Die FPÖ kritisiert wie Sie die Volksbefragung und fordert zum Stimmzettelzerreißen auf. Gute Idee?

Manfred Juraczka: Ich verstehe, dass sich die Leute von den Fragen gepflanzt fühlen, aber man sollte der Versuchung widerstehen. Es ist ein demokratisches Instrument.

2010 hat ÖVP-Landesgeschäftsführer Norbert Walter bei der Volksbefragung vor der Kamera Stimmzettel zerrissen.

Das war ein Fehler. Aus Fehlern lernt man.

Sie empfehlen, bei der Volksbefragung zumindest bei der Frage zum Parken ungültig zu wählen. Was bringt das?

Man wird herausarbeiten, wie viele Antworten es auf die einzelnen Fragen gegeben hat. Die niedrige Beteiligung bei dieser Frage wird zeigen, dass sie nicht nur viel zu kurz greift, sondern auch verwirrend ist.

Die ÖVP wollte über die Ausdehnung der Parkbewirtschaftung über den Gürtel hinaus abstimmen lassen. Würden Sie – wenn das rechtlich ginge – über die Parkraumbewirtschaftung an sich abstimmen lassen?

Nicht über das Parkpickerl an sich. Wir stellen es innerhalb des Gürtels nicht infrage. Wir finden aber, dass es ein Modell braucht, das die Autos abhält, in die Stadt zu drängen. Derzeit kostet eine Stunde Parken auf der Freyung genauso zwei Euro wie am Wilhelminenberg.

Was sollte es am Wilhelminenberg kosten?

Zwei Euro könnten für zwei, drei Stunden reichen.

In den ÖVP-Bezirken Währing und Hietzing gab es Befragungen zum Parkpickerl. Die ÖVP fällt mit Verkehrsthemen auf. Ist man eine Autofahrerpartei?

Nein, sind wir nicht. Ich will nur die Wahlfreiheit des Fortbewegungsmittels. Ich selbst fahre mit den Öffis, aber auch mit dem Auto. Nur das Rad ist für mich eher Sportgerät – obwohl meine Frau ein Radgeschäft hat.

Gehen wir die Themen der Volksbefragung durch: Privatisierung. Die ÖVP hält sich mit Vorschlägen bei der unmittelbaren Daseinsvorsorge zurück. Warum?

Ich glaube, dass das bei der unmittelbaren Daseinsvorsorge nicht nötig ist, weil die Stadt das zu vernünftigen Konditionen erledigt. Beim Müll kann man überlegen. Anderswo funktioniert das auch.

Wasser ist sakrosankt?

Wasser ist rechtlich heikel. Es gibt Tauschverträge mit niederösterreichischen Gemeinden. Natürlich spielt auch die Mentalität der Wiener hinein. Was stimmt: In Wien wurde das Wasser 2012 um 33 Prozent teurer, in England, wo die Versorgung privatisiert wurde, um dreieinhalb Prozent.

Apropos England: Wie halten Sie es mit Olympia?

Abgesehen davon, dass alle Fragen offen sind, halte ich das nicht für absurd. Wien wird massiv wachsen. Wir müssen Wohnungen bauen, in öffentlichen Verkehr intensivieren, das könnte man verbinden.

Beim Thema Solarenergie ist es leicht.

Mehr Privatbeteiligung bei Solarenergie widerspricht zwar der Anti-Privatisierungskampagne, aber man kann nicht dagegen sein.

Wo wir gerade bei grünen Themen sind: Die Grünen sind für Sie eine „Verbotspartei“. Aber Ihre eigene Bezirkschefin Stenzl will ein Alkoholverbot auf bestimmten öffentlichen Plätzen.

Es geht um wenige Plätze im ersten Bezirk. Es gibt ähnliche Gesetze in Graz und Salzburg, wo das funktioniert. Es ist kein weitreichendes Verbot, man geht 200 Meter weiter, und das Thema ist erledigt.

Bleiben wir bei der Ideologie: Es wird debattiert, ob man Adoption für gleichgeschlechtliche Paare öffnet. Denkt die Stadt-ÖVP anders als der Bund?

Es ist wichtig, dass wir die Probleme homosexueller Menschen ernst nehmen. Sie sind nicht homosexuell, weil sie die ÖVP oder die Kirche ärgern wollen. Partnerschaften soll man auf dem Standesamt eingehen können. Bei Adoptionen ist es anders: Es gibt viele heterosexuelle Paare, die adoptieren wollen. Ich glaube, dass es für die Entwicklung sinnvoll ist, wenn man Vater und Mutter hat.

Vom Bund nach Niederösterreich: Dort sticht die Vorzugs- die Parteistimme. Jeder, der Häupl wählt, wählt die SPÖ, auch wenn er eine andere Partei ankreuzt – wäre das denn gut?

Mehr Gewicht für Vorzugsstimmen ist nie schlecht. Ich kann mir auch eine Bezirksvorsteher-Direktwahl vorstellen.

Sie waren damals beim Wahlkampfauftakt in Niederösterreich – und wurden nicht einmal begrüßt. Gekränkt?

Mir gehen diese Parteiveranstaltungen, bei denen fünfzig Leute begrüßt werden, eher auf die Nerven. Mit Erwin Pröll habe ich ein gutes und launiges Verhältnis.

Sie haben auch ein gutes Verhältnis zu Sebastian Kurz. Doch bei der Wiener Liste für die Nationalratswahl wird er eher nicht das Zugpferd geben.

Ich kann versprechen: Herr Kurz wird eine zentrale Rolle spielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2013)

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