Das gefährliche Kartell der Gierschlünde

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Der Erfolg der Schweizer „Abzockerinitiative“ zeigt, dass in der Bevölkerung der Unmut über Fehlentwicklungen in den Managementetagen dramatisch wächst.

In Österreich ist die Schweizer Volksabstimmung vom letzten Sonntag ein bisschen untergegangen. Da haben zwei Landtagswahlen das Geschehen dominiert.

Man wird sich das Datum trotzdem merken müssen, denn es könnte den Beginn einer Art kapitalistischer Zeitenwende markieren: Mehr als zwei Drittel der als besonders besonnen bekannten Schweizer Wähler haben sich in einem Referendum für die eidgenössische „Abzockerinitiative“ und damit gegen Gehalts- und Boni-Exzesse in den Vorstandsetagen ausgesprochen.

Zwei Drittel! Dabei war die Initiative nach aller Wahlkampflogik ein klarer Fall fürs Scheitern: Die politischen Parteien waren überwiegend dagegen, die Wirtschaftsverbände haben acht Millionen Franken in eine Gegenkampagne investiert. Dem Initiator, dem Kleinunternehmer Thomas Minder aus Schaffhausen, standen dagegen ganze 200.000 Fränkli für den „Wahlkampf“ zur Verfügung.

Unter diesen Umständen zeigt das Abstimmungsergebnis vor allem eines: Da brodelt etwas ganz gewaltig unter der Decke. Etwas, was Politiker und Wirtschaftsvertreter ernst nehmen sollten, wenn sie das Erfolgsmodell Marktwirtschaft (mit dem die Exzesse, gegen die es hier geht, absolut nichts mehr zu tun haben) über die Krise retten wollen.

Revolutionär sind weniger die direkten Auswirkungen des Referendums. Die Schweizer haben ja lediglich die Aktionäre in Sachen Festlegung von Vorstandsgehältern gestärkt und „Begrüßungsgeld“ und überzogene Abfertigungen abgestellt.

Was viel schwerer wiegt: Hier hat sich Volkszorn bisher ungeahnten Ausmaßes entladen. Den gibt es auch in anderen europäischen Ländern. Nur dass er dort nicht über das Ventil eines Referendums verfügt. Da wird die Politik einschreiten müssen, bevor der Druck so groß wird, dass der Deckel unkontrolliert wegfliegt.

Es geht hier nicht um Erhöhung des Staatseinflusses. Sondern um das Setzen vernünftiger Leitplanken gegen Fehlentwicklungen, gegen die ganz offenbar kein marktwirtschaftliches Kraut gewachsen ist. Die Probleme liegen auf drei Ebenen:

• In großen, börsenotierten Aktiengesellschaften (und nur um die geht es) hat sich in Europa wie in den USA eine Art Vorstands-/Aufsichtsrats-Cluster verselbstständigt. Da hat sich ein Klüngel gebildet, der einander Posten und monetäre Privilegien zuschiebt, ohne von den Aktionärsversammlungen noch wirklich kontrolliert werden zu können. Auf diese Fehlentwicklung geht die Schweizer Abzockerinitiative direkt los.

• Manager- und Aufsichtsratsvergütungen haben sich von jedem Leistungsprinzip gelöst. Boni und hohe Abfertigungen fließen auch bei unternehmerischem Misserfolg oder gar bei offenbar kriminellen Verfehlungen. Bei der britischen Royal Bank of Scotland etwa gibt es gerade heftige Diskussionen um Millionenboni ausgerechnet für jene Abteilung, die beim Manipulieren der Referenzzinssätze Libor und Euribor fleißig mitgemischt hat.

• Die völlig aus den Fugen geratene Finanzwirtschaft, die uns die Finanzkrise eingebrockt hat, ist viereinhalb Jahre nach dem Lehman-Desaster regulatorisch noch immer nicht „eingefangen“. Ein Großteil der riesigen Geldmengen, die die Notenbanken „frisch drucken“, verliert sich in diesem System.

Hier muss aufgeräumt werden. Aber richtig, das heißt marktwirtschaftlich. Der Staat hat sich nicht zu stark einzumischen, aber Pflöcke einzuschlagen, die garantieren, dass das großflächige Marktversagen, das wir beobachten, repariert wird.

Bei den Managergagen hat die erfolgreiche Schweizer „Abzockerinititative“ den Weg vorgezeigt: Deren Bemessung gehört dorthin, wo auch das unternehmerische Risiko liegt: uu den Aktionären. Die müssen schließlich wissen, wie viel ihnen ihr angestellter Manager (der keinerlei unternehmerisches Risiko trägt, sondern im Misserfolgsfall in der Regel mit einer Millionenabfindung hinauskomplimentiert wird) wert ist. Damit erübrigt sich auch die Frage von Gehaltsobergrenzen.

Bonifikationen und Abfertigungen gehören nicht strikt begrenzt (was nur die Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen auf dem Managerarbeitsmarkt schwächt), sondern an echte Erfolgskriterien gebunden. Wer das Unternehmen weiterbringt, hat Belohnung verdient. Wer es gegen die Wand fährt, ist ohnehin damit gut dran, dass er kein Unternehmerrisiko trägt und muss für Misserfolg nicht auch noch finanziell belohnt werden.

Bonifikationen und Abfertigungen sind nicht gerechtfertigt, wenn das Unternehmen mit öffentlichem Geld aufgefangen werden musste. Und zwar so lange, wie noch öffentliches Geld in welcher Form auch immer im Unternehmen ist. Hier gibt es derzeit (siehe notverstaatlichte Banken in Großbritannien) die größten Fehlentwicklungen. Auch in Österreich sind Chefs von Pleitebanken schon mit Millionenabfertigungen nach Hause gegangen.

Und noch eines: Werden Unternehmen staatlich aufgefangen, dann hat das in Form von direkten Beteiligungen zu geschehen. Auch hier hat die Schweiz den Weg vorgezeigt. Weshalb die Rettung von UBS, CS & Co. für die Eidgenossen auch ein Geschäft war. Im Gegensatz zur österreichischen Bankenrettung, für die der Staat zwar zahlen durfte, sich aber selbst jeden Einflusses beraubte.

Wie gesagt: Es gibt gravierende Fehlentwicklungen, die sich aber marktwirtschaftlich regeln lassen. Und das sollte man auch tun, bevor sich der Volkszorn als Ventil die Unterstützung obskurer politischer Bewegungen aussucht.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2013)

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