„Er half uns, als wir verlassen waren“: Amigos des Comandante werden nervös

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Die linkslastigen lateinamerikanischen Alliierten von Nicaragua bis Argentinien fürchten nach dem Tod ihres Gönners um den Dollarstrom aus Caracas .

Es war der große Traum des Hugo Chávez, das Werk des südamerikanischen Befreiers Simón Bolivar (1783–1830) zu vollenden. Schon vor Beginn seiner ersten Amtszeit 1999 gelobte Chávez, das südliche Amerika und die Karibik aus den Fängen des verteufelten „Washington Consensus“ zu befreien. Wie kein Staatschef zuvor nutzte er sein Charisma, seine Rhetorik, vor allem auch sein Scheckbuch, um in der Region Politiker zu fördern, die ähnlich dachten wie er.

Der ehemalige argentinische Kabinettschef Alberto Fernández erklärte die große Anteilnahme auch am Río de la Plata: „Er half uns, als wir von aller Welt verlassen waren.“ Nach dem Staatsbankrott 2001 war allein Chávez bereit, Argentinien Geld zu leihen. Ähnlich großzügig zeigte sich der Gönner aus Caracas mit seinen Amigos in Bolivien, Kuba, Ecuador, Nicaragua oder Paraguay.

Doch die Spendierhosen des Comandante liefen nach der Finanzkrise 2008 stark ein, der Verfall der Ölpreise machte es den Venezolanern schwerer, Geld zu verteilen. Die Ölgesellschaft PDVSA musste große Schulden machen, um weiter Sozialprogramme zu finanzieren, der Staat musste einen Teil seines Erdöls an China verpfänden, um die Wirtschaft irgendwie am Stottern zu halten. Nach dem sündteuren Wahlkampf 2012, der dem Land ein Haushaltsdefizit von 18 Prozent einbrachte, müssen Chávez‘ Erben sparen.

Doch das wird den Amigos kaum gefallen. Vor allem die Gebrüder Castro müssen fürchten, dass ihre Revolution Schlagseite kriegt wie nach dem Ende der Sowjetunion. Die Insel empfängt am Tag 100.000 bis 120.000 Barrel venezolanisches Öl und kann einen Teil davon auf dem grauen Markt zu Dollars machen. Bezahlt wird mit der Arbeit der 44.000 kubanischen Ärzte, Krankenpfleger und Sporttrainer, die in Venezuelas Armenvierteln Dienst tun.

Kubas Agenten sind überall

Zu den offiziellen Emissären kommen jene mehr als 1000 Agenten, die Kuba an alle neuralgischen Stellen des Staatsapparats in Venezuela gesetzt hat: Sie kontrollieren Häfen und Einwanderungsbehörden, Kataster- und Einwohnermeldestellen. In jedem Staatsbetrieb sitzt ein kubanischer Emissär, im Militär sind „Berater“. Kubas Einfluss hat mitgewirkt, dass Chávez seinen Außenminister Maduro zum Kronprinz machte, der während der letzten Monate mehr als zehnmal in Havanna war. Auch kurz nach der Todesmeldung fuhr Maduro dorthin, angeblich, um den Ablauf der Trauerfeiern zu besprechen. Auch in Nicaragua wird Chávez‘ Ableben Nervosität auslösen, gewann der Sandinist Daniel Ortega 2011 doch vor allem dank der 500-Millionen-Dollar-Hilfe aus Caracas. „Wenn ihr mich nicht wählt, gibt es kein Geld“, hatte Ortega im Wahlkampf gedröhnt, insgesamt bekam er aus Caracas 7,5 Milliarden Dollar geschenkt, seitdem er 2007 an die Macht zurückkehrte.

Die zwei anderen Hauptmitglieder der Wirtschaftsgemeinschaft ALBA (Bolivien, Ecuador) dürfte Chavez' Tod ökonomisch weniger treffen. Doch hat das bolivarische Bündnis ohne seinen Big Spender Zukunft? Ecuadors gerade wiedergewählter Präsident Rafael Correa hat Charisma und Ideologie. Aber hat er auch Dollars?

Brasilien und Argentinien haben Maduro seit Chávez‘ Tod massiv gestützt. Beide haben lukrative Geschäfte mit venezolanischen Staatsfirmen laufen und kein Interesse an einem Machtwechsel, denn der brächte womöglich wieder die ungeliebte Konkurrenz aus dem Norden.

Betroffenheit in Teheran

Besondere Anteilnahme ist Venezuela in Teheran gewiss: Venezolanische Banken helfen Irans Wirtschaft seit Jahren, internationale Embargos zu umgehen und Dollars zu waschen. Auch in Peking steht die Zukunft des Landes mit den laut Opec größten Ölreserven ganz oben auf der Agenda: China verlieh ca. 42 Mrd. Dollar, schätzen Wirtschaftsexperten, und bekommt dafür Öl zu Sonderpreisen.

Im Herbst bekam der chinesische Staatskonzern „Citic Group“ den Auftrag, alle Rohstoffe im Boden Venezuelas zu erfassen. Es geht um Öl, Gold, Eisen, Kupfer. Venezuela hat noch viel zu geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2013)

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