Venezuela ist wirtschaftlich stark von der Supermacht abhängig, boykottiert aber deren Drogenkrieg.
Washington/Go. Trotz aller revolutionärer Rhetorik des verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez ist das Überleben seiner populistischen Regierung vom guten Willen Washingtons abhängig.
Erdöl sorgt für rund 95 Prozent der venezolanischen Exporteinnahmen. Dieses Geld finanziert die Hälfte des Staatshaushaltes. Bis zu 45 Prozent der Ölexporte gehen in die USA. Unterm Strich bezahlen also die von den Chávisten gehassten „Yankees“ ein Fünftel bis ein Viertel des Staatswesens.
Und nicht nur das. Von jenen 900.000 Barrel Rohöl, die Venezuela täglich in die USA exportiert, werden rund 600.000 Barrel von der Citgo Petroleum Corporation, einer US-Tochterfirma des Staatskonzerns Petróleos de Venezuela, zu höherwertigen Ölprodukten raffiniert. Venezuela ist zwar noch immer einer der fünf größten Öllieferanten der USA. Der Schiefergasboom und die wirkungsvollere Ausbeutung von US-eigenen Ölquellen macht die Amerikaner aber mehr oder weniger unabhängig von etwaigen venezolanischen Boykotten. Umgekehrt ist Venezuela stark von amerikanischen Pharmazeutika und technischen Geräten abhängig, die es angesichts schwindender Dollarbestände zusehends nur mit mehrmonatiger Verspätung bezahlen kann.
Schlüsselfrage Drogenkrieg
Und so zerbricht man sich in den außenpolitischen Denkfabriken Washingtons seit Monaten die Köpfe darüber, wie es mit Venezuela nach Chávez weitergehen soll. Die unmittelbar wichtigste Frag ist der Kampf gegen die Drogenmafia, hielt der frühere US-Botschafter in Caracas, Patrick D. Duddy, in einer Analyse für den Council on Foreign Relations fest. Washington beschuldigt mehrere hohe Militärs einschließlich des Verteidigungsministers, den Drogenschmuggel zu begünstigen.
Das Ringen um Chávez' Nachfolge stellt den innenpolitisch geforderten Präsidenten Barack Obama vor die Frage, wie er sich bei einem außenpolitischen Problem verhalten soll, das bisher halbwegs stabil war.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2013)