Verfassungsgericht in Ungarn droht Entmachtung

Verfassungsgericht Ungarn droht Entmachtung
(c) EPA (ZSOLT SZIGETVARY)
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Trotz Protesten und scharfer Kritik aus dem In- und Ausland will die Regierung ein Paket umstrittener Änderungen absegnen lassen.

Budapest. Auf der Budapester „Verfassungsstraße“ demonstrierten am Wochenende tausende Ungarn gegen die geplante Entmachtung des Verfassungsgerichts. Unter dem Motto „Die Verfassung ist kein Spielzeug“ warnten sie davor, das Grundgesetz als Instrument der Macht der Regierungspartei zu „missbrauchen“.

Doch die Proteste gegen die vom Kabinett des nationalpopulistischen Premiers Viktor Orbán geplanten Verfassungsänderungen werden wohl genauso wenig fruchten wie die besorgten Warnungen führender EU-Politiker vor einer Aushöhlung der demokratischen Gewaltenteilung. Am Montag wollte die Regierung die Verfassungsänderungen von dem von ihr mit Zweidrittelmehrheit kontrollierten Parlament absegnen lassen.

Beschneidung des Gerichts

Über 15 Seiten umfasst die Liste der umstrittenen Änderungen. Einige vom Verfassungsgericht zuvor als verfassungswidrig erklärte Gesetze erhebt Budapest damit flugs in den Verfassungsrang. Noch mehr beunruhigt Kritiker im In- und Ausland jedoch die nachhaltige Beschneidung der Position des Verfassungsgerichts: Als potenzieller Störfaktor bei der Verabschiedung zweifelhafter Gesetze wird es damit künftig praktisch ausgeschaltet.

Mit Zweidrittelmehrheiten verabschiedete und so in den Verfassungsrang gehievte Gesetze sollen die Verfassungsrichter künftig nur auf formale Gesichtspunkte, aber nicht mehr auf ihren Inhalt bewerten dürfen. Bei ihrer Rechtsprechung sollen sie sich nur noch auf die von der Regierungsmehrheit 2011 installierte Verfassung, nicht aber auf frühere Grundsatzurteile berufen können. Dem von der Regierung ernannten Präsidenten der Nationalen Gerichtskammer wird das Recht eingeräumt, bestimmte Fälle von einem Gericht zu einem anderen zu transferieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2013)


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