Sozialtourismus nach Österreich ein "Nichtproblem"

(c) Clemens Fabry
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Deutsche Kommunen klagen über eine angebliche Belastung des deutschen Sozialsystems durch Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien. Experten widersprechen. In Österreich gibt es dafür ebenfalls keinen Hinweis.

Wien/Berlin. Die einen sprechen von „Flächenbrand“, die anderen von einem „Nichtproblem“ – das Thema „Sozialtourismus“ erhitzt EU-weit die Gemüter. Im Falle Österreichs lässt sich klar sagen: Die Aufregung ist unbegründet.

Denn zum einen hat die Zuwanderung aus den angeblichen EU-Problemstaaten Rumänien und Bulgarien hierzulande im vergangenen Jahr kaum zugenommen. Kamen 2011 exakt 1821 bulgarische Staatsbürger ins Land, waren es im vergangenen Jahr 1880. Auch im Falle Rumäniens sind die Zahlen nur marginal gestiegen: von 7053 auf 7150. Zum anderen muss in Österreich jeder Zuwanderer zur Fremdenbehörde, um die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltsrechts darzulegen, erklärt Hermann Muhr, Sprecher von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, der „Presse“. Kann er das aufgrund fehlender Erwerbstätigkeit oder unzureichender Existenzmittel nicht, droht die Behörde ein Ausweisungsverfahren an.

In Deutschland wurde diese Anmeldebescheinigung für EU-Bürger mit Anfang des Jahres abgeschafft. Nun klagen immer mehr Kommunen über rumänische und bulgarische Einwanderer, die – so die Kritik vonseiten des Innenministers Hans-Peter Friedrich – die Freizügigkeit in Europa missbrauchten, um von den Sozialsystemen anderer Mitgliedstaaten zu profitieren. Friedrich hatte deshalb Ende letzter Woche ein intimes Krisentreffen mit seinen Amtskollegen aus Österreich, Großbritannien und den Niederlanden einberufen. Mikl-Leitner nahm nur daran teil, „weil man es ernst nehmen muss, wenn ein anderes Land Probleme hat“, erläutert Muhr.

Tatsächlich ist die Zahl der Bulgaren und Rumänen, die nach Deutschland einwanderten, im vergangenen Jahr um 18 bzw. 26Prozent angestiegen. Der Großteil dieser Zuwanderer fiel dem Sozialsystem aber nicht zur Last, sagt Herbert Brückner vom deutschen Institut für Arbeits- und Berufsforschung dem „Spiegel“: „Die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe ist geringer als im Durchschnitt der ausländischen Bevölkerung.“

Kommission verwundert

Die EU-Kommission zeigt sich ob der aufgeheizten Debatte verwundert: Die Wahrnehmung einiger Mitgliedstaaten habe mit der Wirklichkeit nichts zu tun, sagte Sozialkommissar Laszlo Andor. Die Kommission werde nicht mit einem Lösungsvorschlag für ein nicht vorhandenes Problem aufwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2013)

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