Morgenglosse

Stillende Frauen: Wer ein Problem hat, darf draußen bleiben

Siegel wie dieses (an der Tür des Café Museum) sollen Stillende Willkommen heißen.
Siegel wie dieses (an der Tür des Café Museum) sollen Stillende Willkommen heißen. cim
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Ein „Stillsiegel“ für Lokale soll Stillen von Babys „normalisieren“. Wie absurd, dass das notwendig scheint.

Selten sitzt man bei Präsentationen, bei denen das, was vorgestellt wird, so scheint es, auch denen die das tun, fast etwas absurd vorkommt. „Hoffentlich sitzen wir in zehn Jahren nicht mehr hier und müssen darüber sprechen“, sagt Georg Ribarov vom Babyartikelhersteller Mam, Hebamme Christina Ruthofer spricht von einer „Zumutung, dass sich Frauen dem aussetzen müssen, wenn sie das Normalste auf der Welt machen“, und Berndt Querfeld sagt, er wolle „eigentlich nicht Teil einer Kampagne sein, das sollte doch selbstverständlich sein“ und lässt nun trotzdem „Stillsiegel“ (das ist, was präsentiert wurde) an die Türen seiner Kaffeehäuser kleben.

Stillsiegel? Siegel, die „normalisieren“ sollen, dass Frauen Babys stillen? (Oder per Fläschchen füttern, diese Mütter bekommen ja mindestens genauso viel an ungebetenen Kommentaren und urteilenden Blicken ab). Ein Pickerl, dass Babys willkommen sind, auch wenn sie sich ernähren? Dass Frauen sich keine unpassenden Kommentare, vielleicht sogar Verweise durch das Personal anhören werden müssen?

Die Aktion ist gut gemeint, vielleicht tut sie sogar etwas für die Sache, aber es ist doch absurd, etwas so Grundlegendes „wieder normalisieren“ zu müssen. Statt den Blick zu wenden, zu fragen: Was ist eigentlich das Problem derer, die sich darüber aufregen? Die sich vor Muttermilch, vor Brüsten - davon bekommt ja ohnehin niemand wirklich etwas zu sehen - ekeln? Und was ist das Problem derer, die das vielleicht sogar sexualisieren? Welche Bilder und Dogmen, wie Frauen, Frauenkörper in der Öffentlichkeit zu sein haben, wie sie als Mütter zu sein haben, stecken dahinter? Und warum lässt man überhaut unfreundliche Meinungen auf andere ab, um die einen niemand gebeten hat?

Wer bekommt das nächste Siegel? Alte? Dicke? Kinder?

Stattdessen stellt man Stillende irgendwie erst recht an den Rand. Wo es einen Hinwies braucht, dass etwas eh ok ist, impliziert das auch, dass das nicht selbstverständlich überall so ist, dass Stillenden öffentlicher Raum nicht selbstverständlich zusteht wie jedem und jeder anderen auch. Wer bekommt dann das nächste Siegel an der Lokaltüre? Alte, die vielleicht nicht mehr ganz der Etikette entsprechend essen können? Menschen mit Behinderung? Mit Mobilitätseinschränkung? Dicke? Mit dieser oder jener sexueller Orientierung, zu der irgendjemand Meinungen hat? Kommt ein Schild, dass Kinder eh auch hinein dürfen, als ob das nicht das Selbstverständlichste der Welt sein sollte?

Wie wärs, dieses Abgrenzen, Fremd-machen umzukehren. Ein Siegel für die Haltung: Wer es nicht schafft, etwa trinkende Babys und ihre Mütter (oder alle anderen „Betroffenen“ irgendwelcher Unmutsäußerungen) in Frieden zu lassen, darf gerne lieber draußen bleiben.

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