Beim ersten "Hearing-Konvent" der Neos stellten sich am Sonntag 25 Bewerber für die Bundesliste im Herbst vor, ein zweites Hearing und Vorwahlen sollen folgen. Eine Kooperation mit dem Liberalen Forum und den JuLis wurde fixiert.
Auch Guy Verhofstadt ist als Redner dabei, wenn auch nur über Video: Er freue sich über die „neue Kraft" in Österreich, spricht er den 80 Anwesenden bei der Mitgliederversammlung in Wien Neubau aus der Seele. Nur mit „Einigkeit" werde es gehen: vom eigenverantwortlichen Bürger bis zu einem stärkeren Europa, sagt der belgische Ex-Premier und Liberalenchef im Europaparlament in seiner Grußbotschaft.
Einigkeit haben die Neos, die „141-Tage-Partei", wie Parteichef Matthias Strolz zwischenbilanziert, an diesem Samstag bereits bewiesen: Mit 70 Pro- und nur drei Gegenstimmen haben sie sich zu Mittag für eine Kooperation mit dem Liberalen Forum unter Angelika Mlinar ausgesprochen - bis zur Nationalratswahl am 28. September und darüber hinaus, wie Strolz betont. Dem ist eine hitzige Debatte vorangegangen: Nützt oder schadet es einer Partei, die als die „Neue" auftritt, wenn sie sich für die Wahl im Herbst mit dem 20 Jahre alten LIF zusammentut, das seit 1999 nicht mehr im Nationalrat ist?
Ein Mitglied spricht sogar vom „Loser-Image", das die Liberalen seither aufgebaut hätten. Ein anderes meint, dass man einfach nur „Danke" sagen müsse, wenn das LIF bereit sei, unter dem Neos-Dach anzutreten: Er bekommt den meisten Applaus - für einen Schuss liberale Nostalgie, wie im Publikum zu hören ist. Mlinar freut sich so oder so: „Gemeinsam sind wir stärker." Wohlwollend ist man schon länger den Jungen Liberalen (JuLis) um Nikolaus Scherak gesinnt: Sie werden als Partner für den Herbst bestätigt.
Idealismus trifft Pragmatismus
Die Mitgliederversammlung zeigt es: Noch sind viele Neos unerfahren, was politische Absprachen und Kompromisse betrifft. Für Strolz ist gerade das „charmant": wenn Junge, manchmal Naive auf Erfahrenere - er selbst kommt aus dem ÖVP-Wirtschaftsflügel, mit dem er gebrochen hat - treffen. „Diese Symbiose, der Mix aus Idealismus und Pragmatismus, macht uns aus."
Wobei man programmatisch Anleihen nicht nur beim LIF, sondern auch bei ÖVP und Grünen nimmt: von der Schulautonomie über Vereinigte Staaten von Europa bis zu finanziell eigenverantwortlichen Bundesländern. Aber wer soll die Positionen vertreten, sollte es mit dem Einzug in den Nationalrat klappen? Derzeit liegt man in Umfragen noch bei zwei Prozent, also der Hälfte der notwendigen Stimmen.
Knut Wimberger, 37, wäre gern dabei: Er stellt sich am Samstag als Erster von 25 dem Kandidaten-Hearing. Eine Minute 30: Da ist gerade einmal Zeit für den Lebenslauf des Juristen, der seit vier Jahren in Shanghai arbeitet. Und für seine „große Motivation", Österreich neu zu gestalten, natürlich. Smera Rehman, UN-Mitarbeiterin in Wien, ist via Online-Telefonie zugeschaltet. Wichtig seien ihr die Grundmenschenrechte, die besser ins Bildungssystem integriert werden müssten, sagt sie. Dann bricht die Internetverbindung.
Das „neue Österreich" wird eben nicht an einem Tag erbaut - nicht virtuell und nicht personell: Weil sich statt der erwarteten 30 oder 40 Anwärter 100 gemeldet haben, wird es am 13. April in Salzburg einen zweiten „Hearing-Konvent" geben. Danach kommen die Vorwahlen: Die Kandidaten werden, zu je einem Drittel gewichtet, übers Internet, von den 300 Parteimitgliedern und dem Parteivorstand bestimmt. Ab Mai soll die Bundesliste stehen. „Wir packen das", schwört Strolz die Anwesenden ein: „Gemeinsam."
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2013)