Frauen in Deutschland verdienen 22 Prozent weniger als Männer

Lücke ist seit 2006 kaum kleiner geworden - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Staat muss Fehlanreize wie Ehegattensplitting abschaffen.

Die Lohnkluft zwischen Männern und Frauen ist 2012 in Deutschland nicht kleiner geworden. Frauen verdienten 22 Prozent weniger als ihre Kollegen, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. Obwohl Frauen heute so gut ausgebildet sind wie nie zuvor, ist der Verdienstunterschied in den vergangenen Jahren kaum geschrumpft: 2006 lag die Differenz bei 23 Prozent, 2010 bei 22 Prozent. Wissenschafter fordern Staat und Tarifpartner auf, mehr gegen die Benachteiligung zu tun.

"Frauen haben geringere Chancen auf bessere Jobs und auf Führungspositionen", sagte Forschungsdirektorin Elke Holst im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "Durch Berufsunterbrechungen - vor allem nach der Geburt der Kinder - haben Frauen häufig weniger Berufserfahrung." In den vergangenen Jahren hätten zwar mehr Frauen einen Job angenommen, deren Männer Vollzeit arbeiten. Sie würden jedoch häufig eine geringfügige Beschäftigung annehmen oder in Teilzeit arbeiten.

Der Staat fördere dies noch durch das Ehegattensplitting und die sozialen Absicherung der Nichterwerbstätigkeit über den Ehemann. Durch den raschen Ausbau einer verlässlichen Kinderbetreuung müsse zudem die Vereinbarung von Familie und Beruf unterstützt werden.

In der Pflicht sieht die DIW-Expertin aber auch die Tarifparteien. "Sie müssen dafür sorgen, dass gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlt wird. In den Unternehmen muss eine Kultur geschaffen werden, in der Frauen der Aufstieg gleichermaßen wie Männern ermöglicht wird." Allein die Diskussion um die Einführung einer Frauenquote habe bereits etwas bewegt. "Druck ist offenbar notwendig", sagte Holst.

So will die EU-Kommission ab 2020 durchsetzen, dass 40 Prozent der Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen mit Frauen besetzt sind. Bisher liegt ihr Anteil unter 15 Prozent. Die deutsche Regierung will die EU-Pläne aber stoppen. "Frauen werden auf dem Arbeitsmarkt auch im 21. Jahrhundert erheblich diskriminiert und die Bundesregierung legt ihre Hände in den Schoß", kritisierte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig.

Frauen kommen auf einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 15,21 Euro, ihre männlichen Kollegen dagegen auf 19,60 Euro. Auffällig ist, dass die Lücke in den ostdeutschen Bundesländern viel kleiner ist: Hier bekommen Frauen nur 8 Prozent weniger. Im Westen ist die Differenz dagegen mit 24 Prozent dreimal so groß. Das ist dem DIW zufolge darauf zurückzuführen, dass die Verdienstunterschiede im Osten generell geringer sind. "Außerdem arbeiten Frauen dort häufiger Vollzeit - und wenn sie in Teilzeit tätig sind, dann arbeiten sie länger als im Westen", sagte Holst.

Die großen Lohnunterschiede führen die Statistiker auf die unterschiedliche Berufs- und Branchenwahl zurück sowie auf die Tatsache, das Frauen seltener Führungspositionen bekleiden sowie häufiger teilzeit- oder geringfügig beschäftigt sind. Allerdings könne ein Drittel des Verdienstunterschiedes nicht mit solchen Merkmalen erklärt werden. "Das heißt, dass Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit pro Stunde durchschnittlich 7 Prozent weniger als Männer verdienten", so die Statistiker unter Hinweis auf eine Untersuchung von 2010.

(APA)

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