Hüftgelenk: Arzt entscheidet

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Gesundheitspolitik: Aufregung um Pläne in Oberösterreich, älteren Patienten nur mehr billige künstliche Implantate zu verschreiben.

Wien/Linz/ag./g. b. Sollen älteren Patienten aus Spargründen nur mehr billige Hüftimplantate eingesetzt werden? Entsprechende Pläne des oberösterreichischen Krankenhauserhalters Gespag haben jetzt zu hitzigen Diskussionen geführt. Nun hat sich auch die österreichische Ärztekammer eingeschaltet – mit einem klaren Nein.

Die Entscheidung dafür müsse dem Arzt überlassen sein. Die Kammer ist darin „ganz klar einer Meinung mit Gesundheitsminister Alois Stöger, wonach die Auswahl von Implantaten Kompetenz der Ärzte ist und Spitäler keinen ökonomischen Druck ausüben dürften“, so ein Sprecher.

Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger sieht in der Vorgabe, dass es in Oberösterreich eine Quote für teure Implantate geben soll, ein Beispiel für einen neuen Trend. Es werde nach ökonomischen und nicht nach medizinischen Kriterien entschieden, welche Therapie ein kranker Mensch bekommt. Dies gebe einen Vorgeschmack darauf, wie die Verwalter öffentlicher Gelder auf Kosten von Patienten den Sparstift bei der Versorgungsqualität ansetzen, so der Kammerchef.

Anlass für die Diskussion ist ein internes Protokoll, das eine Orthopäden-Arbeitsgruppe der Gespag erarbeitet hatte und das jetzt an die Öffentlichkeit kam. Darin heißt es, dass künftig nur noch maximal fünf Prozent aller Patienten mit den teuersten Hüftgelenken (Keramik-Keramik-Paarungen) versorgt werden sollen. Eingespart werden könnten dadurch um die 700.000 Euro pro Jahr.

Gespag-Vorstand Karl Lehner ruderte bei einer rasch einberufenen Pressekonferenz Donnerstagabend zurück: Dies sei keineswegs als Vorgabe des Managements zu sehen, die Ärzte würden weiterhin durch ihre Indikation entscheiden, welches Produkt welcher Patient erhält.

Beim Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) wird betont, dass es bei den ihm unterstehenden Spitälern keine zentrale Regelung und keine Quoten gebe. Es liege weiterhin ausschließlich im Ermessen des Arztes, welche Art von Hüftimplantat er verschreibe, sagt eine KAV-Sprecherin zur „Presse“.

Der Vizepräsident und Chef der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart, verweist indessen auf den wirtschaftlichen Druck, dem die Mediziner ausgesetzt seien. Krankenkassen würden auch im niedergelassenen Bereich auf Ärzte massiven Druck ausüben, wenn angeblich zu teure Medikamente häufiger verschrieben würden, als es den Kassen aus wirtschaftlichen Überlegungen angenehm sei, so Steinhart.

Niederösterreichs Ärztekammer-Präsident Christoph Reisner sieht in dem oberösterreichischen Beispiel erst den Anfang einer Entwicklung, die sich mit der beschlossenen Gesundheitsreform noch weiter verschärfen werde. Wenn diese Reform greift, werde es massive Einschnitte in die medizinische Versorgung geben müssen. „Das von der Politik angestrebte Einsparpotenzial ist derartig groß, dass es gar nicht anders gehen wird“, zeigt sich Reisner überzeugt.

Der Projektleiter der Gespag-Arbeitsgruppe, Primar Vinzenz Auersperg von der orthopädischen Abteilung am Krankenhaus Steyr-Kirchdorf, betonte, dass es in der Medizin üblich sei, Patienten dem Alter nach und im Hinblick auf die Lebenserwartung zu versorgen. Er persönlich halte es für übertrieben zu sagen, jeder Patient unter 75 Jahren brauche eine Keramik-Keramik-Prothese.

Ähnlich argumentiert der Wiener Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer in einem Interview mit den „OÖN“. Wenn eine Hüfte 40 Jahre halte, dann sei die Frage der Sinnhaftigkeit zu stellen, so der Experte. „Weder ein 80-Jähriger noch ein 95-Jähriger brauchen ein Implantat, das 40 Jahre hält.“ Wenn man so den Patienten gegenüber argumentiere, würden diese das auch einsehen.

Auf einen Blick

Der Plan des Spitalserhalters Gespag in OÖ sieht vor, dass künftig nur fünf Prozent der Patienten das teuerste Hüftimplantat erhalten; Ältere sollten billigere Hüftgelenke bekommen. Die Ärztekammer fordert, dass diese Entscheidung den Ärzten überlassen bleibe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

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