"Österreichs Wappen ist die Schublade"

oesterreichs Wappen Schublade
oesterreichs Wappen Schublade(c) Ueberreuter
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Was ist noch Pointe, was Zynismus? Und was verbindet den Humor mit einem verschollenen Pflaster? Kabarettistengespann Florian Scheuba und Rupert Henning über ihre Rolle als "Witzfiguren" und die "österreichische Schubladenidiotie".

Provokation und Humor beziehungsweise umgekehrt – was fällt euch da als Erstes ein?

Florian Scheuba:
Für mich gehört das oft zusammen. Es ist nicht so, dass das eine das andere bedingt, es kommt auch beides unabhängig voneinander vor. Aber wenn es in gemeinsamer Form auftritt, kann das manchmal sehr reizvolle Ergebnisse hervorbringen.

Rupert Henning: Wenn die Provokation Selbstzweck ist, vergeht mir meistens der Humor. Ich suche ihn dann hektisch, um den Provokateur mit möglichst treffenden Witzen bewerfen zu können.



Wenn ihr einen Text verfasst, eine Kolumne, einen Monolog, was auch immer, wie ist da euer Zugang? Überlegt ihr euch, wie ihr mit dem Text provozieren wollt, oder ist für euch der Humor wichtiger?


Scheuba: Ob ich selbst provoziere, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich provoziert werde, nämlich von dem, was mich ärgert und was deshalb thematisiert werden will.

Henning: Ich muss überhaupt erst einmal annähernd die Gewissheit empfinden, dass ich wirklich was zu sagen habe. Sonst rede oder schreibe ich garantiert nur dummes Zeug, das weder humorvoll noch provokant ist.



Gibt es einen Unterschied zwischen einer geschriebenen Nummer und einer Kolumne, wie du sie schreibst, Florian?

Scheuba: Eine Kolumne unterliegt gewissen Regeln und einer Regelmäßigkeit. Da muss ich mich alle 14 Tage entscheiden, was ich mir hernehmen will. Wenn ich für die Bühne oder ein Fernsehformat schreibe, ist eine andere zeitliche Ordnung drinnen.  Da gibt es Elemente, die man lange mit sich herumträgt, bevor sie plötzlich eine tagesaktuelle Aufladung bekommen. Und natürlich hat man formal ganz andere Möglichkeiten, etwas zu erzählen.

Henning: Jede schreiberische Aufgabenstellung ist anders, und es gibt kein Rezept für gute Satire. Ich weiß nie, wie das geht, und finde es nur gelegentlich heraus. Dann bin ich völlig euphorisch und glaube allen Ernstes, etwas verstanden zu haben. Und beim nächsten Mal fange ich wieder von vorn als etwas hilfloser Lehrbub an. Das macht die Sache zwar ziemlich anstrengend, aber dafür wird einem nie langweilig.



Würdet ihr euch eher als Satiriker oder Kabarettisten bezeichnen?


Scheuba: Ich kann mit beiden Begriffen leben. Das heimliche Wappen von Österreich ist ja die Schublade. Ich selbst zerbreche mir aber nicht den Kopf darüber, in welche Lade man mich hineingeben will.

Henning: Ich bezeichne mich möglichst gar nicht als irgendwas, allerhöchstens etwas kokett als eine Witzfigur auf dem Weg zum Menschen. Als solcher wird man ja nicht geboren, wie ich finde, sondern man muss das erst einmal werden.



Wie wichtig ist es euch in eurer Arbeit, real existierende Personen direkt beim Namen zu nennen?

Scheuba: Es kommt ganz darauf an, was ich schreibe. Bei einer Zeitungskolumne ist in der Regel eine direkte Nennung zielführender, da hat man selten genug Platz, um eine aufwendige Metapher zu etablieren. Ein TV-Format, wie es zum Beispiel „Die 4 da“ war, hat dagegen auch die Möglichkeit geboten, Parabeln zu erzählen, in denen Figuren auftauchen, die erkennbare Ähnlichkeiten mit realen Menschen haben, ohne dass ich diese beim Namen nennen muss. Oder nehmen wir zum Beispiel „Cordoba“, die Figur des Herrn Oberwarter ist nicht 1:1 Strache, aber sie hat Elemente seiner Persönlichkeit.

Henning: Ich neige, glaube ich, eher zu Expeditionen ins Archetypische. Aber natürlich gibt es Anlässe, da muss man Dinge und Personen ganz konkret beim Namen nennen, sonst verliert man sich im Allgemeinen und wird beliebig. Wenn es bei Satire allerdings nur darum geht, Leute bloßzustellen, ohne dass die es wirklich verdienen, degradieren sich die Pointen schnell zum blanken Zynismus.



Ist es euch wichtig, eine Pointe zu landen um ihrer selbst willen? Oder muss sie immer sachbezogen sein? Wie würdet ihr die sogenannte Punchline einsetzen wollen?

Scheuba: Das kommt auf die Situation an. Prinzipiell habe ich schon Freude daran, über das Lachen die Leute zu erreichen. Es ist bestimmt nicht nötig, aus allem einen Schmäh zu generieren. Aber das Zuspitzen einer sinnvollen Aussage zu einer Pointe ist etwas sehr Lustvolles und bis zu einem gewissen Grad auch der Sinn der Übung.  Wenn ich aus einem Abend rausgehe, der sich als „satirisch“ oder „kabarettistisch“ bezeichnet, und es war nichts dabei, bei dem ich lachen konnte, dann fehlt mir etwas.

Henning: Wer immer Witze auf Kosten anderer macht und dabei nicht einmal Spurenelemente von Selbstironie besitzt, wird hoffentlich von barmherzig gnadenlosen Zeitgenossen durch den Kakao gezogen, den er ständig anderen Leuten auftischt. Und Unterhaltung ohne Haltung ist irgendwie einfach nicht koscher. Das ist zwar schon tausendmal gesagt worden, aber es ist immer noch ein Klassiker unter den Wahrheiten.



Wenn ihr an die österreichische Schublade denkt, glaubt ihr, dass es in Österreich nur möglich ist, Satire zu machen, wenn der Satiriker auch als solcher erkennbar ist, sich als solcher bezeichnet? „Der hat seine Schublade. Der darf.“


Scheuba: Na ja, diese Schubladenidiotie gibt es ja in beide Richtungen. Da sagt man dann „Das ist ein Schauspieler, und das ist ein Kabarettist!“ Die Grenzen dieser Schutzzonen halte ich für willkürlich gezogen. Entweder ich nehme dem Darsteller ab, was er mir gerade erzählt, oder nicht.

Henning: Lachen sollte möglichst immer Befreiung bedeuten. Um diese zu provozieren, ist fast alles erlaubt. Wenn die Befreiung überraschend gelingt, ist sie meistens schöner. Insofern mag ich unvorhersehbare Scherze mit unangekündigten Körnchen von Wahrheit.



Eine private Frage: Wenn ihr zu Hause in eurer Familie Probleme hättet, fällt euch, als Satiriker, zuerst etwas Lustiges ein, um die Sache zu entschärfen, oder reagiert man da so wie alle anderen auch ab und zu genervt und humorlos?


Scheuba: Da gibt es keinen Unterschied zu den meisten anderen Leuten. Ich scheitere oft genug am Vorsatz, es mit Humor zu nehmen. Ich glaube aber, dass das völlige Fehlen von Humor eine Form von Behinderung ist. Du tust dir im Leben leichter, wenn du humorfähig bist. Das heißt aber nicht, dass man den Humor in jeder Situation richtig anwendet. Es gibt im Leben nicht nur Momente, in denen Humor die beste Lösung ist. Sehr oft ist er es, aber nicht immer.

Henning: Das Leben pendelt wie auch das menschliche Verhalten ununterbrochen zwischen Würde und Lächerlichkeit. Humor ist ein hochwirksames Antitoxin gegen die Vergiftung der Verzweiflung. Natürlich ist es aber wie mit den blöden Pflastern: Wenn man eines braucht, ist meistens keines daheim. Man kramt also fluchend und polternd im seelischen Medikamentenschrank herum und findet einen Schmarren. Anders gesagt: Wer behauptet, dass er in der Regel über sich selbst und die eigenen Katastrophen herzhaft lachen kann, lügt wie gedruckt.



Florian, du hast meiner Meinung nach seit den „Hektikern“ eine große Entwicklung durchgemacht. Wie bist du draufgekommen, aus der Schülernummer „Hektiker“ deinen Beruf, deine Leidenschaft zu machen? Wie jung warst du?


Scheuba: Es gibt von Lou Reed die Biografie „Growing up in public“ – das trifft auch auf mich zu. Wir haben mit 16 Jahren, als Schüler, begonnen und hatten keinen Plan für eine weitere Karriere. Es ist uns einfach passiert. Wir waren seltsamerweise von Anfang an erfolgreich, und es hat sich eines aus dem anderen ergeben. Zunächst nimmt man es als Selbstverständlichkeit hin: Ich mache das, da kommen dann Leute, die wollen das sehen. Irgendwann beginnt man es als Privileg zu begreifen, das man nützen kann, um das zu sagen, was man eigentlich sagen will.

Henning: Ich bin da eigentlich gar nicht gefragt, aber was kann einem Menschen in Sachen Berufswahl Besseres widerfahren, als dass er keinen Plan hatte und sich dennoch genau dort wiederfindet, wo er meint, hinzugehören? Ich möchte den Herrn Scheuba bitte schön auf der Stelle in Dankbarkeit zerfließen sehen.


Vielen Dank für das Gespräch. 

von Cornelius Obonya

"Die 3 da": Wo sich die Wege von Henning, Scheuba und Obonya kreuzten

Während Rupert Henning und Florian Scheuba schon seit Mitte der 1990er-Jahre ein eingefleischtes Team als Autoren und Schauspieler sind, ist die berufliche Zusammenarbeit mit Cornelius Obonya erst 2010 für das Erfolgsstück „Cordoba: Das Rückspiel“ zustande gekommen.

Vielleicht fühlen sie sich wie Brüder, kennengelernt haben sie sich aber über „Die kranken Schwestern“. Diese ORF-Comedy-Serie anno 1996 war jedenfalls die erste große Zusammenarbeit von Florian Scheuba und Rupert Henning. Gemeinsam mit Uli Brée und Thomas Maurer wurde an den 36 Folgen geschrieben (Regie: Werner Sobotka). Henning und Scheuba waren auch als Darsteller fixer Teil des Ensembles rund um Andrea Händler, Sigrid Hauser und Elke Winkens.

Scheuba (geb. 1965 in Wien) war damals bereits Profi-Komödiant, schließlich wurden „Die Hektiker“ 14 Jahre davor, noch während seiner Schulzeit (mit Mini Bydlinski, Fifi Pissecker und Werner Sobotka) im Gymnasium in Mödling gegründet. Auch Henning (geb. 1967 in Klagenfurt) war Mitte der 1990er kein „Jungtalent“ mehr. Schon 1984, zwei Jahre vor der Matura, begann er für Fernsehen und Radio in Österreich zu schreiben. 1985 heimste er den Österreichischen Jugendpreis für Literatur ein. Er begann in Wien Geschichte und Anglistik zu studieren und schnupperte bald auch Bühnenluft als Schauspieler und Regisseur (von der Studiobühne Villach bis zum Theater an der Josefstadt).

Florian Scheuba mauserte sich zu dieser Zeit mit den „Hektikern“ zu „Österreichs erfolgreichster Kabarettgruppe“ (laut Wikipedia: 14 Programme mit 2500 Auftritten). Eine auffallende Überschneidung im Lebenslauf dieser Künstler mit Cornelius Obonya – bevor sie sich zum Hit „Cordoba“ zusammengetan haben – ist, dass Scheuba teils Texte für Gerhard Bronner schrieb und Obonya bei Bronner den Schauspielberuf quasi über „Learning by doing“ erlernte. Obonyas erster Bühnenauftritt war in einem Kabarettprogramm von Gerhard Bronner, für diese Möglichkeit ließ er damals sogar das Reinhardt-Seminar sausen.

Im 21. Jahrhundert intensivierte sich dann die Zusammenarbeit von Scheuba und Henning als Autoren mit dem Kabarettprogramm „Freundschaft“ (gespielt von Henning und Erwin Steinhauer, 2005), einer Abrechnung mit der Sozialdemokratie. Scheuba, Henning, Steinhauer und Maurer waren dann von 2007 bis 2008 „Die 4 da“: eine gelungene ORF-Comedy, die ähnlich den „Staatskünstlern“ heute die Missstände der Republik satirisch hervorhob. Zugleich schrieben Henning und Scheuba an einem Film über die deutsch-österreichischen Beziehungen und über Deutsche als „Ausländer“, der 2008 anlässlich der Fußball-EM gezeigt werden sollte.

Leider wurden die Gelder für diesen Film nicht genehmigt. Daraufhin schrieben die beiden die Geschichte für mehr als zwei Dutzend Schauspieler um in ein Bühnenstück mit nur einem Schauspieler. Cornelius Obonya gelang schließlich in „Cordoba: Das Rückspiel“ die Darstellung von Ösis, Wessis, Ossis, Russen u. v. a hervorragend. 2012 standen Obonya und Henning dann erstmals in Wien gemeinsam auf der Bühne: im britischen Thriller „Revanche“.

von Veronika Schmidt

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2013)

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