Wo bitte geht's zum nächsten Universum?

bitte gehts naechsten Universum
bitte gehts naechsten Universum(c) REUTERS (NASA)
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Kosmologen und Quantenphysiker erwägen ernsthaft, ob es Paralleluniversen geben könnte.

Irgendwann in der Zukunft, nach dem Frühstück: Es geht in die Arbeit, aber welche darf es heute sein? Für einen Tag Bundeskanzler? Kein Problem, tauschen Sie doch einfach mit Ihrem Alter Ego im passenden Paralleluniversum den Platz. Morgens hin, abends zurück? Klingt utopisch? Ist es auch. Und doch fragen sich Wissenschaftler heute ernsthaft, ob und wie andere Universen parallel zu unserem existieren können.

Zunächst etwas Grundsätzliches: „Universum“ heißt nicht umsonst so. Es umfasst „universal“ die gesamte uns prinzipiell zugängliche Welt. So gesehen hat ein unabhängig davon existierendes Universum nicht viel Sinn, zumindest nicht, wenn man hinein- und hinausspazieren kann – denn dann wäre es ja Teil unseres Universums. Gemeint ist daher etwas anderes. Unsere heutigen Theorien über die Entstehung des Universums lassen es nämlich zu, dass beim Urknall nicht nur ein Universum, sondern mehrere Universen entstanden sind. Je nach Lesart der Theorie können das unendlich viele oder ein paar weniger sein, aber der Punkt ist, dass jedes Universum entsteht und wächst, wie Seifenblasen im Schaum. Wir leben auf der Innenseite unserer Seifenblase und können daher nicht in eine der anderen Blasen kommen. Man darf daher zu Recht von unabhängig voneinander existierenden Universen sprechen, den sogenannten „Multiversen“. Angeblich können zwei Universen, die sich nahe genug kommen, eine Art „kosmisches Elmsfeuer“ erzeugen, dessen Leuchten grundsätzlich beobachtbar wäre.


Prüfbar? Um das klarzumachen: Wir reden hier von Möglichkeiten, von Hypothesen, die unsere heutigen Theorien des Universums zulassen, und die wir bislang nicht experimentell prüfen konnten. Gleichzeitig sind sie prinzipiell überprüfbar – und das kann so oder so ausgehen. Es könnte z.B. durchaus sein, dass wir aufgrund von neuen Beobachtungen die Theorie selbst so ändern müssen, dass die Existenz von Multiversen ausgeschlossen ist. (Was aus Sicht der Wissenschaft „existiert“, kann sich wandeln: Morgenstern und Abendstern mussten ihre Existenz auch zugunsten der Venus aufgeben.) Aber bis dahin gibt es eine echte Chance, dass es parallel zu unserem Universum andere Universen gibt – vielleicht mit anderen Naturkonstanten, anderen Geschichten der Evolution, etc. –, die real existieren, zu denen wir aber, bis auf das Wissen um ihre Existenz, prinzipiell keinen Zugang haben.

Noch weiter aus dem Fenster lehnen sich – wieder einmal - die Quantenphysiker. Aus deren Ecke kommen die „Vielen Welten“, vom englischen „many worlds“. Kurz gesagt: Es entstehen ständig neue Universen. Jede Beobachtung eines Quantensystems führt dazu, dass sich das gesamte (!) Universum vervielfacht. Wie diese Vervielfachung passiert, wird nicht gesagt. Man verwendet den mathematischen Formalismus der Quantentheorie als Hinweis darauf, dass viele Welten existieren „müssen“. Schuld daran ist – wieder einmal – Schrödingers Katze. Die Quantentheorie erlaubt nämlich Zustände einer Katze, die im Widerspruch stehen zu der Annahme, dass sie entweder „tot“ oder „lebendig“ ist. Man könnte dies nun als Hinweis darauf verstehen, dass wir das Konzept von der beobachterunabhängigen Realität gewisser Zustände eines physikalischen Systems radikal neu denken müssen – üblicherweise als „Kopenhagener Interpretation“ der Quantenphysik bezeichnet.

Man könnte aber auch den Standpunkt einnehmen, dass der Widerspruch dadurch erzeugt wird, dass man die arme Katze fälschlicherweise in nur einem Universum angesiedelt hat. Wenn ich das Universum, samt Katze, zum Zeitpunkt der Beobachtung verdopple, kann ich beide Zustände, tot und lebendig, faktisch realisieren, allerdings in zwei verschiedenen Universen. Das nennt man „Viele-Welten-Interpretation“. Im Gegensatz zu den Multiversen entziehen sich die „Vielen Welten“ prinzipiell der Beobachtbarkeit. Sie entstehen ständig, als Klone unseres Universums, hinterlassen aber keine „Spuren“ in den anderen Welten.

Das wirft die generelle Frage auf: Wie ernst darf man physikalische Theorien nehmen? Genauer: Wie ernst darf man die Hypothesen nehmen, die man auf Basis der heute akzeptierten Theorien über die Welt aufstellt? Physikalische Theorien sind in der Sprache der Mathematik formuliert, und die mathematischen Platzhalter der Theorie helfen uns, Vorhersagen für Beobachtungen zu machen. Sie müssen einen Bezug zur Realität haben, sonst wäre es keine Theorie über die Natur. Herauszufinden, wie genau der aussieht, ist eher eine philosophische Frage. Das hat erstaunlicherweise bisher sehr gut funktioniert und eine Basis für unsere heutigen Weltbilder geschaffen. Bei der Quantentheorie allerdings wissen wir bis heute noch nicht zweifelsfrei, welchen Aspekt der Realität ihr zentrales mathematisches Element, die ominöse „Wellenfunktion“, beschreibt. Der Spielraum für Interpretationen ist offenbar groß. Man sollte freilich nicht vergessen, dass die Quantentheorie im Gegensatz zu den kosmologischen Theorien nichts über Universen sagt. Sie sagt nur etwas über Katzen. Und damit das, was sie sagt, nicht zu abstrus klingt, fühlen sich manche Menschen wohler, wenn sich spontan viele Katzen in vielen Universen bilden können.

Wie viele Universen existieren denn nun? Über unseres sollten wir uns sicher sein. Existieren „Multiversen“? Wir haben scheinbar zumindest Möglichkeiten, Daten zu finden, die dafür oder dagegen sprechen. Existieren die „Vielen Welten“? Das ist derzeit reine Glaubenssache. Es gibt andere Lesarten der Quantentheorie, die ohne Vervielfachung von Universen auskommen. Aber vielleicht gibt es ja irgendwo ein Universum, in dem diese Frage bereits entschieden ist?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2013)

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