Unternehmer, gegen jeden Widerstand

Unternehmer gegen jeden Widerstand
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Johann Gutenbrunner spricht Japanisch und Koreanisch, hat zehn Jahre im Ausland gelebt und Tourismus studiert. Trotzdem bekommt er die Reisebüro-Lizenz nicht. Die Geschichte eines Mannes, der mit allen Mitteln um seine unternehmerische Freiheit kämpft.

Johann Gutenbrunner sitzt im Kaffeehaus im Linzer Schloss, rührt seinen Pfefferminztee um und lacht und seufzt gleichzeitig. Auch mit seinen Gästen kommt er regelmäßig hier her, es ist einer seiner Lieblingsplätze. Und Gutenbrunner kennt viele Plätze. Als Fremdenführer kennt er praktisch jede Ecke von Linz und auch die Geschichte dazu. Seine Kunden schätzen das und empfehlen ihn weiter. Schon ein paar haben angefragt, ob er auch größere Gruppen betreuen könne. Sie wollen nach Linz kommen und mit Gutenbrunner die Stadt besichtigen. Oder die NS-Gedenkstätte Mauthausen, sein Spezialgebiet. „Aber ich darf ja nicht.“ Denn die Behörden verweigern ihm die Lizenz.

Wenn er davon erzähle, bekomme er Kopfweh, sagt Gutenbrunner. Die Angelegenheit dauert schon viele Jahre. Er hat zig E-Mails geschrieben, einmal sogar an den Präsidenten der Wirtschaftskammer. „Dass es viel Bürokratie und Hürden für Selbstständige in Österreich gibt, war mir schon bewusst. Dass es aber so arg ist, habe ich nicht gedacht“, schrieb er an Christoph Leitl. Weil er einfach nicht einsehen wollte, dass er, mit all seinen Fähigkeiten und Ideen, immer wieder gegen Mauern rennen muss. „Auf die Bedürfnisse von Menschen mit unternehmerischen Ambitionen wird einfach keine Rücksicht genommen.“

Angefangen hat alles im Jahr 2006, als sein Arbeitgeber, eine Software-Firma, zusperren musste. Für Gutenbrunner war das kein Schicksalsschlag, denn er hatte ohnehin genug von der Schreibtischarbeit. Mit der Abfertigung finanzierte er sich die Ausbildung zum Fremdenführer. Da die Aufträge zunächst ausblieben, fing er an, Taxi zu fahren.

Während er die Fahrgäste chauffierte, erklärte er immer wieder beiläufig ein paar Dinge zu den Sehenswürdigkeiten. „Und ich habe gemerkt, dass das unheimlich gut ankommt.“ Da wurde aus der Notwendigkeit eine Geschäftsidee. Gutenbrunner hatte die Idee für das „Guide-Taxi“: Stadtrundfahrten und Ausflüge, zum Taxameter- oder zum Pauschalpreis. Gerade stand 2009 vor der Tür, das Jahr der Kulturhauptstadt Linz. Gutenbrunner witterte gute Umsätze. Also fragte er in der Wirtschaftskammer, was er für das Unternehmen brauche.

Zehn Jahre Ausland reichen nicht. Da kam der erste Rückschlag. „Ich musste richtig dafür kämpfen. Ich konnte überhaupt keinen Servicegedanken erkennen.“ Er brauchte die eingeschränkte Berechtigung für das Reisebürogewerbe. Schon diese zu bekommen war keine einfache Sache. Obwohl es keine besonderen Auflagen gab, dauerte es Monate, bis er mit dem Guide-Taxi beginnen durfte.

Die Genehmigung ist sehr eingeschränkt. Er darf derzeit nur Taxifahrten in Kombination mit Führungen anbieten, für maximal acht Personen. Größere Gruppen darf er nicht annehmen, und auch keine Leistungen zukaufen, wie zum Beispiel Busse. Das ginge nur, würde er dafür mit einem Reisebüro zusammenarbeiten. Auf dessen Rechnung und in dessen Namen. Weil er aber immer wieder Anfragen bekommt, ist sein Ziel jetzt die volle, uneingeschränkte Gewerbeberechtigung für ein Reisebüro. Auch wenn ihn die klassischen Reisebüro-Tätigkeiten gar nicht interessieren: Er will keine Flüge buchen und auch keine Filialen aufmachen. In Deutschland hätte er es leichter: Dort ist das Gewerbe frei, es darf also praktisch jeder ein Reisebüro eröffnen.

In Österreich ist das ganz und gar nicht leicht. Gutenbrunner ist viel gereist und kennt sich aus in der Welt. Mit 19 verließ der gelernte Koch das Land, ging nach Holland und Belgien, als Missionar in die USA, als Zeitungsverkäufer und Deutschlehrer nach Südkorea und dann nach Japan. Zehn Jahre hat er im Ausland verbracht. Gutenbrunner spricht Japanisch und Koreanisch. Er hat an der Abendschule die HAK-Matura nachgemacht, die Gastgewerbekonzession erworben und die Landwirtschaftsschule besucht. In den vergangenen drei Jahren studierte er berufsbegleitend Tourismusmanagement an der Universität Linz. Für die Abschlussarbeit reiste er nach Polen, England und Israel. Das Studium kostete ihn um die 20.000 Euro. Und sehr viel Zeit.

Aber das reicht nicht. Für die uneingeschränkte Konzession muss er zusätzlich ein Praktikum in einem Reisebüro machen: ein Jahr, mindestens zwanzig Wochenstunden. Mit 51 Jahren. „Aber ich habe eine Familie und muss meine Rechnungen bezahlen.“ Die Alternative wäre ein Lehrgang am Wifi, der ihn auf die Befähigungsprüfung vorbereitet. Der Kurs kostet 1900Euro. Lernen würde er dabei im Prinzip Dinge, die er schon könne, sagt Gutenbrunner. „Das finde ich einfach zu demütigend. Dasselbe noch einmal zu machen und auch noch dafür zu bezahlen.“


Liberalisierung gefordert. Dass das alles so kompliziert ist, liegt an der österreichischen Gewerbeordnung. Das Reisebürogewerbe ist eines von etwa 80 Gewerben, die in Österreich reglementiert sind. Um sie ausüben zu dürfen, braucht man einen Befähigungsnachweis. Das kann die Meisterprüfung sein oder eine einschlägige Ausbildung. Auf der Liste stehen auch Arbeitskräfte-Überlasser, Maler und Anstreicher, Bäcker und Friseure.

Die Gewerbeordnung geht auf das Jahr 1859 zurück. Kritiker bezeichnen sie als überholt und fordern eine umfassende Liberalisierung. Die Wirtschaftskammer verteidigt sie und beruft sich dabei auf die Qualitätssicherung. So auch im Fall von Johann Gutenbrunner. Um ein Reisebüro führen zu können, müsse man die rechtlichen Rahmenbedingungen, also Usancen in der Branche, kennen, heißt es aus der Fachgruppe der Reisebüros in der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Und deren Meinung zählt: Die Konzession wird zwar von der Gewerbebehörde vergeben, aber die Grundlage dafür ist die Stellungnahme der Kammer. Und die lautet: Kurs oder Praktikum. Punkt.


Nicht nur anklagen. Johann Gutenbrunner ist nicht wütend. Aber enttäuscht. Vor allem, weil alles so lange dauert. Schon bis er die Genehmigung für das Guide-Taxi bekommen hat, ist viel Zeit vergangen, während der er längst hätte werben können. Und jetzt muss er wieder warten. „Ich empfinde das fast schon als schikanös. Das ist für mich ein riesiger Verdienstentgang.“

Mit dem Praktikum hat er sich mittlerweile angefreundet. Vielleicht kann er dabei ja etwas lernen. Auch wenn es anstrengend wird. „Ich will ja auch nicht nur anklagen. Mir geht es darum, aufzuzeigen, welche Hürden es in diesem Land für Unternehmer gibt“, sagt er. Vor allem, wenn man schon etwas älter sei und noch einmal etwas Neues anfangen wolle. „Aber ich habe diese Vision vom freien Unternehmertum. Und ich sehe für mein Angebot einfach eine Nachfrage auf dem Markt.“

Bei der Schiffsanlegestelle Linz-Lentos, mit Blick auf das Ars Electronica Center, legt Gutenbrunner im Taxi den Donauwalzer auf, gesungen vom Tenor Richard Tauber. Auch Gutenbrunner singt, im Kirchenchor. Irgendwann will er Musikführungen anbieten. Und dabei auch selbst Lieder vortragen. „Das ist mein Traum.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2013)

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