Der Zustand zwischen Angst und Langeweile

Zustand zwischen Angst Langeweile
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Während einer herausfordernden Aufgabe beschert uns ein Zustand, den Psychologen den "Flow" nennen, Glücksgefühle.

Was haben ein Skispringer und ein Schauspieler gemeinsam? Nicht, dass sie den Mut aufbringen müssen, sich der Gefahr des Sprunges oder der Lächerlichkeit vor dem Publikum zu stellen. Sondern sie befinden sich während ihrer Tätigkeit in einem Zustand, den Psychologen als „Flow“ bezeichnen. Geprägt hat den Begriff der US-Forscher Mihály Csíkszentmihályi in den 1970ern: Flow beschreibt den geistigen und körperlichen Zustand, wenn man „voll in einer Tätigkeit aufgeht“.

Der Zustand liegt zwischen Angst (Überforderung) und Langeweile (Unterforderung). Ein gewisses Lampenfieber ist für das Auftreten des Flows notwendig, da der Körper die Aufregung braucht, um die ausreichende Energieversorgung sicherzustellen. Der an der Med-Uni Wien tätige Psychologe Michael Trimmel erklärt: „Für den Flow muss die Leistungsfähigkeit mit der Anforderung übereinstimmen.“ Das Bewusstsein wird quasi auf diese Tätigkeit eingeengt: Man weiß, man hat die erforderliche Kompetenz für die geforderte Aufgabe – alles andere tritt zurück.

„Emotional ist dieser Flow ein gutes Gefühl“, so Trimmel, „weil man erlebt, was man leisten kann. Gleichzeitig nimmt man rundherum nichts anderes wahr.“ Weder Ablenkungen von außen noch von innen (Hunger, Durst, etc.) unterbrechen uns in der Tätigkeit, die uns in den Flow bringt. Auch das Zeitgefühl verblasst, man wundert sich, wie viel Zeit vergangen ist während des als kurz empfundenen Flows. „Der kognitive Mechanismus dahinter ist die selektive Aufmerksamkeit.“ Wenn Sie z.B. versuchen, bei einem Basketballspiel den Ball ganz genau zu verfolgen, werden Sie nicht bemerken, dass ein Mensch im Gorillakostüm durch das Spielfeld wandert.


Suchtgefahr. Auf physiologischer Ebene stecken Hormone bzw. Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin hinter dem angenehmen Gefühl des Flows. Csíkszentmihályi nennt den Flow jedenfalls „den Weg zum Glück“: Auch unsere Arbeitstätigkeiten sollten uns weder über- noch unterfordern, damit wir in den Flow kommen und Glücksgefühle erleben. „Der Flow ist eine Selbstverstärkung des Gehirns: Das Belohnungszentrum wird aktiviert, man will mehr davon erleben“, so Trimmel. Dies sei auch die Gefahr, etwa bei Computerspielen, durch den Flow eine Sucht zu entwickeln: „Jeder kann bei Computerspielen sein eigenes Schwierigkeitslevel einstellen, damit er in den Flow kommt. Dann kann es passieren, dass ganze Tage und Nächte durchgespielt werden. In dem Fall wird das Vergessen der Umgebung, die selektive Aufmerksamkeit, gefährlich.“

Völlig ungefährlich sind hingegen Tätigkeiten im Alltag, die als „Mikroflow“ bezeichnet werden: Kreuzworträtsel lösen, Sudoku, Stricken, Blumenpflege. Man konzentriert sich, lenkt sich vom Alltag ab und bekommt ein angenehmes Gefühl, da man etwas ausführt, was man gut kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2013)


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