Pröll & Petz: Das Leben nach dem Leben

Proell Petz Leben nach
Proell Petz Leben nach(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Josef Pröll hat die erste Reihe der Politik verlassen. Christian Petz hat die erste Reihe der Gastronomie verlassen. Wie lebt es sich für die beiden eigentlich nach dem Neuanfang? Ein Gespräch.

Christian Petz und Josef Pröll eint so einiges: Beide hatten in ihrer Branche einen Job in der ersten Reihe. Beide warfen sie ihn hin. Und beide strahlen sie heute so etwas wie Gelassenheit aus.

Christian Petz war in der sogenannten Top-Gastronomie, wurde dort mit Hauben und Sternen überhäuft. Dann übersiedelte er vom Luxusrestaurant im Palais Coburg ins nicht ganz so elitäre Badeschiff auf dem Donaukanal. Der Begriff Hafen-Beisl würde wohl am ehesten zu dem schwimmenden Lokal passen.

Josef Pröll war Vizekanzler, ÖVP-Chef und Herausforderer von Werner Faymann. Seine politische Karriere lief gut an, in Umfragen lag er eine Zeit lang sogar vorn, dann Kopf an Kopf, dann wieder hinter der SPÖ. Vor zwei Jahren, als Folge einer Lungenembolie, beschloss er, sich aus der Politik zurückzuziehen – der Gesundheit und Familie zuliebe. Pröll wurde Vorstand der Raiffeisen-Tochter Leipnik-Lundenburger. Für Angelika Kirchschlagers „Presse am Sonntag“ trafen sich die beiden an Bord des Badeschiffs – zu einem Gespräch über den Neuanfang.

Was war besser, das Leben vor dem Umstieg oder das Leben danach?

Josef Pröll: Es ist bei mir ein enormer Nettogewinn an Lebensqualität – ohne Öffentlichkeit. Ich kann mein berufliches Leben selbst bestimmen, arbeiten muss ich genauso viel.

Christian Petz: Sorgen habe ich jetzt mehr, aber ich würde es nicht mehr anders wollen. Ich habe die Dinge, meine Küchen, immer so geführt, wie ich es für richtig hielt, aber das ist jetzt garantiert. Ich würde nicht mehr in ein Angestelltenverhältnis wechseln wollen. Es geht darum, selbst entscheiden zu wollen und eben auch zu können.

Das müsste für den ehemaligen ÖVP-Chef doch auch so sein: Wäre ein Leben als Unternehmer nicht besser als Führungskraft in einem Konzern?

Josef Pröll: Ich bin zwar nicht selbstständig geworden, aber ich habe mich massiv emanzipiert – von der Politik und vor allem auch von der Öffentlichkeit. Das ist nun ein viel stärker selbstbestimmtes Leben als Manager. Ich kann nun gestalten und entscheiden. Man müsste zwar annehmen, dass das in der Politik auch geht, aber aufgrund der Netzwerke und Verflechtungen – auch inhaltlicher Natur – ist es leider nicht so.

Sie mussten sich beide ein wenig unterwerfen. In der Top-Gastronomie fürchtet man die Launen der Gäste, muss ihnen auch als Koch schöntun. Als Parteichef muss man ohnehin alles tun, um dem Wähler zu gefallen. Als Beisl-Koch kann man schon einmal lockerer jemandem die Meinung sagen – auch als Vorstand.

Christian Petz: So großist der Unterschied zwischen hoher und einfacher Gastronomie nicht, der Aufwand wird größer, mehr ist es nicht. Die Qualität steht immer im Vordergrund.

Aber Sie müssen auf dem Badeschiff nicht mehr von Tisch zu Tisch gehen und fragen, ob es gemundet hat, oder?

Christian Petz: Ich bin auch früher nicht an einen Tisch gegangen, wenn ich nicht wollte. Manchmal muss man hingegen, manchmal will man hingehen. Ich war nie der Grüßaugust, sondern immer Koch. Das, was sich geändert hat, ist dieser Druck, ständig originell zu sein. Oben reicht es nicht, nur ein sehr gutes Essen zu machen, sondern man muss sich ständig etwas überlegen – am besten mit sieben Komponenten alle zu überraschen. Ich war gerade bei einem der weltweit besten Köche in Holland, Jonnie Boer, der versucht, sieben Komponenten in ein Gericht zu packen. Ich habe dort den besten Kabeljau meines Lebens gegessen, ich hätte gern mehr davon gehabt. Doch stattdessen waren da noch viele andere Zutaten dabei.

Josef Pröll: Ja, bei mir war es auch der Druck. Mich fragen Leute oft, ob ich jetzt weniger Termine und Arbeit habe, aber das stimmt gar nicht. Jetzt bin ich befreit von der öffentlichen Meinung und stehe den Entscheidungsprozessen in der Politik heute auch viel kritischer gegenüber: Viele Entscheidungen davon abhängig zu machen, wie ein einzelner Schritt in der Öffentlichkeit wirkt, ist ein großer Fehler. Jetzt in der Wirtschaft debattieren wir, dann entscheiden wir, und dann wird es öffentlich. Nicht umgekehrt. Das heißt nicht, dass keine Fehler passieren können, aber der Weg zur Entscheidung hat mehr Qualität.

Man könnte also auch sagen: Es ist ein besseres Leben ohne Journalisten?

Josef Pröll: Nicht einmal. Es ist die ständige Beobachtung, die die Qualität nimmt. Das habe ich früher so nie gesehen.

Christian Petz: Als Politiker kann man nicht einmal laut überlegen, ohne dass es gleich Aufregung gibt.

Gibt es im neuen Leben weniger Einladungen, wird man weniger gegrüßt?

Christian Petz: Nein, es sind andere Einladungen, mich fragen Journalisten plötzlich, wenn es wie zuletzt einen Lebensmittelskandal gibt. Dann kann ich sagen, dass einem Lebensmittel auch etwas Wert sein müssen. Was ich übrigens nie verstehe: Ein Politiker kann sagen, er war in der Oper, aber wenn er sagt, er war gut und teuer essen, bekommt er ein Problem. Das zeigt den falschen Stellenwert des Essens.

Josef Pröll: Stimmt. Ich bekomme natürlich auch weniger Einladungen, aber die von echten Freunden weiterhin. Viele Leute grüßen mich heute auf der Straße, die früher vermutlich zu viel Scheu gehabt hätten. Gerade jetzt z.B. hat mich jemand einfach gefragt, ob er nach Zypern sein Geld von der Bank nehmen sollte.

Und was haben Sie geantwortet?

Josef Pröll: Es ist eine private Entscheidung, aber aus meiner Sicht ist das Ersparte in Österreich sicher!

Josef Pröll
Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren zog er den Schlussstrich – unter eine Karriere, die Josef Pröll 2008–2011 zum Finanzminister und Vizekanzler machte. Jetzt ist er Chef des Mühlenkonzerns Leipnik-Lundenburger.

Christian Petz
Fast auf den Tag genau vor drei Jahren beendete er sein Engagement im Hotel Coburg, wo er mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Jetzt kocht Christian Petz auf dem Badeschiff.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2013)

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