Mediziner in Zwickmühle

Versorgung. Immer weniger Ärzte kümmern sich um immer mehr Suchtpatienten.

Wien/Awe. Auch wenn die Statistik über die Dosierung von Heroinersatz Fragen aufwirft, es wäre falsch, der Ärzteschaft an sich leichtfertiges oder gar kriminelles Verhalten vorzuhalten. Tatsächlich sind Mediziner, die Suchtkranken Therapie in Form von Substitution anbieten, in den vergangenen Jahren selbst in die Zwickmühle geraten.

Sie werden nämlich immer weniger. Gleichzeitig steigt die Zahl der zu betreuenden Patienten massiv. 16.782 Heroinsüchtige bekamen 2011 Ersatzdrogen aus der Apotheke. Erledigt wurde diese Arbeit von 461 Ärzten, meistens Allgemeinmedizinern.

Vor fünf Jahren noch führte das Gesundheitsministerium 10.503 Patienten, denen allein in den Bundesländern Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark 955 Ärzte gegenüberstanden (für die anderen Bundesländer gibt es aus dieser Zeit keine Daten). Damals kümmerte sich jeder Arzt im Schnitt um etwa zehn Patienten. Heute liegt das Verhältnis bei 1:36.

Obwohl sich die Mehrheit redlich und nach bestem Wissen und Gewissen um ihre Patienten bemüht, gehen Polizei und Staatsanwaltschaft immer wieder schwarze Schafe ins Netz, die willkürlich Medikamente verschreiben oder zum Teil sogar selbst am Verkauf der starken Arzneien auf dem Schwarzmarkt mitverdienen.

Der Rückgang von Praxen, die Substitution anbieten, hat mit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2007 zu tun. Damals beschloss die Regierung, dass Ärzte, die Ersatztherapie anbieten wollen, eine Zusatzausbildung mit regelmäßiger Fortbildung zu absolvieren hätten. Im Sinne der Steigerung der Qualität wurde diese Maßnahme von den meisten Experten begrüßt. Der Nachteil: Für Mediziner, die insbesondere auf dem Land nur wenige Suchtkranke in Betreuung hatten, „lohnte“ sich der Zusatzaufwand nicht mehr. Viele von ihnen stellten das Angebot für Heroinsüchtige ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2013)

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