Etwa 850.000 Christen sollen zur Zeit Saddam Husseins im Irak gelebt haben. Im Bürgerkrieg gerieten sie zwischen alle Fronten.
Sie waren nur eine Minderheit, hatten keine eigenen Milizen so wie die Schiiten oder die Sunniten. Als der Bürgerkrieg ausbrach, gerieten Iraks Christen zwischen die Fronten. Zurzeit des Diktators Saddam Husseins sollen etwa 850.000 Christen im Zweistromland gelebt haben. Heute ist ein Großteil von ihnen aus dem Irak geflohen.
Als das Land nach dem Regimewechsel ins Chaos glitt, schienen Christen und Angehörige anderer Minderheiten ein leichtes Opfer. Kriminelle Banden machten damals Bagdad und andere Städte unsicher. Entführungen wurden im Irak zu einem einträglichen Geschäft.
Geistlicher wurde enthauptet. Dann starteten die Extremisten der Terrororganisation al-Qaida ihre Offensive. Für sie waren alle Feinde, die nicht ihre extreme Sichtweise des Islam teilten: Dazu zählten andere Muslime wie die Schiiten, aber auch Sunniten, die sich nicht an die strengen Regeln al-Qaidas halten wollten; und besonders natürlich die Christen. Auf Kirchen in Bagdad wurden Sprengstoffattentate verübt, zahlreiche Christen gekidnappt, gefoltert und umgebracht. Aus „Rache“ für eine Rede, in der sich der frühere Papst Benedikt XVI. kritisch über den Islam äußerte, entführten Extremisten in der Nähe von Mossul einen Geistlichen und enthaupteten ihn.
Mossul im Norden des Irak ist bis heute eine Hochburg al-Qaidas und anderer jihadistischer Gruppen und damit eine No-go-Area für Minderheiten wie die Christen.
Irakische Untergrundgruppen warfen den Christen zudem vor, die „Brüder“ der amerikanischen Streitkräfte und anderer ausländischer Truppen zu sein, die aus dem „christlichen“ Westen im Irak eingerückt waren.
Die massiven Angriffe auf Christen sorgten aber auch immer wieder für Solidaritätsbekundungen muslimischer Iraker. Sogar Berater des radikalen Schiitenpredigers Moqtada al-Sadr verurteilten 2008 Attentate auf Christen in Mossul. Und der Präsident der autonomen Kurdenregion im Nordirak, Massud Barzani, bot den Christen Zuflucht in seinem Herrschaftsgebiet an. Heute leben viele Christen, die aus Bagdad und anderen Städten geflohen sind, in den Kurdengebieten. Dort herrscht größere Sicherheit als in anderen Teilen des Iraks.
Friedensplan der Bischöfe. Dass sie als Minderheit zwischen allen Stühlen sitzen, hat Iraks Christen zum Ziel gemacht. Nun versuchen sie aber auch, diese gleichsam neutrale Position zu nutzen. Auf Initiative des neuen chaldäisch-katholischen Patriarchen, Louis Raphael I. Sako, trafen die irakischen Bischöfe dieser Tage mit Premierminister Nouri al-Maliki zusammen. Sie legten dem Regierungschef einen Plan zu Beendigung der inneren Spannungen im Irak vor.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2013)