»Wir werden nicht erlauben, dass die Diktatur zurückkehrt«

Der politische Sprecher des Schiiten-Blocks »Hoher Islamischer Rat im Irak« über die Proteste in der Provinz Anbar und den Nachbar Iran.

Vor zehn Jahren wurde Saddam Hussein gestürzt. Heute leidet der Irak noch immer an großen Problemen. Was wurde eigentlich in den vergangenen zehn Jahren erreicht?

Scheich Hameed al-Saeidi: Wir sind den größten Tyrannen der gesamten Region losgeworden. Heute ist der Irak wieder ein international respektiertes Land. Wir haben eine neue Verfassung und wir haben Wahlen. Die Iraker fühlen heute, dass sie ihr Land selbst regieren können.

Aber die Stromversorgung funktioniert noch immer nicht. Viele Iraker klagen über Korruption und Arbeitslosigkeit. Und in der Provinz Anbar protestieren die Menschen.

Ja, es gibt Mängel bei der Energieversorgung und auch auf anderen Ebenen. In diesen Bereichen war der Fortschritt seit dem Sturz Saddam Husseins zu gering. Das ist ein Versäumnis.

Aber wie beurteilen Sie die Proteste in Anbar und anderen sunnitischen Gebieten?

Die Forderungen der Demonstranten nach Verbesserung der Infrastruktur sind gerechtfertigt. Wir müssen sehen, wie wir sie erfüllen können. Probleme mit Stromversorgung oder zu wenigen Jobs gibt es aber nicht nur in Anbar, sondern auch im Süden des Irak. Bei den Protesten in Anbar wurden auch Forderungen nach einem Sturz der Regierung laut. Und einige wollen das frühere Regime zurück. Das ist inakzeptabel. Wir werden nicht erlauben, dass die Diktatur zurückkehrt.

Die Proteste scheinen die Kluft zwischen Schiiten und Sunniten wieder zu vergrößern. Ab 2006 tobte viele Jahre zwischen beiden Bevölkerungsgruppen ein Bürgerkrieg. Fürchten Sie, dass diese dunklen Zeiten zurückkehren könnten?

Natürlich haben wir Sorge, dass dieser Konflikt wieder aufflammen könnte. Wir müssen alles tun, um das zu verhindern und viele Schiiten und Sunniten helfen uns dabei. Wenn es Probleme gibt, müssen sie gemäß Verfassung gelöst werden. Wir können aber nicht akzeptieren, dass einige sunnitische Führer jetzt gegen die Schiiten hetzen.

Organisationen wie Amnesty International kritisieren, dass die Sicherheitskräfte im Irak nach wie vor schwere Verstöße gegen die Menschenrechte begehen.

Wir geben zu, dass es solche Menschenrechtsverletzungen gibt – aber nicht in dem Ausmaß, wie international behauptet wird. Unsere Sicherheitskräfte müssen mit einer gefährlichen Bedrohung durch Terroristen fertig werden. Und sie reagieren darauf leider nicht immer professionell – etwa bei der Verhaftung von Verdächtigen.

Welche Auswirkungen hat der Konflikt in Syrien auf das Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten im Irak?

Der Konflikt in unserem Nachbarland hat große Auswirkungen auf uns. Es gibt eine Zusammenarbeit zwischen den syrischen Rebellen und den Demonstranten im Irak. Ich bin sicher, dass sich die Lage im Irak beruhigt, sobald sich die Lage in Syrien beruhigt.

Die iranische Regierung unterstützt das syrische Regime. Wie beurteilen Sie die Rolle Ihres Nachbarn Iran im Syrien-Konflikt?

Der Iran ist für einen friedlichen Wandel in Syrien. Er unterstützt nicht Bashar al-Assad persönlich, aber er will al-Qaida in Syrien stoppen.

Ihre schiitische Bewegung pflegt sehr enge Beziehungen zum schiitischen Iran. Kritiker sehen sie als Sprachrohr Teherans.

Der Iran hat uns während unseres Kampfes gegen Saddam Hussein unterstützt, und wir haben nach wie vor gute Beziehungen zu Teheran. Aber der Iran hat nichts gegen die Sunniten im Irak. Er hat sogar Iraks Regierung aufgefordert, Reformen durchzuführen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2013)

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