Es zockt sich ganz gut als entmündigter Sparer

Die Einlagensicherung wirkt zwar als Beruhigungspille für Sparer, verhindert aber einen Gesinnungswandel: Wer nichts zu verlieren hat, denkt nur an die Rendite.

„Die schlimmsten Fehler werden in der Absicht gemacht, einen begangenen Fehler wiedergutzumachen.“ Das wusste der deutsche Schriftsteller Jean Paul schon vor 200 Jahren. Mittlerweile ist dieser Satz offenbar politisches und wirtschaftspolitisches System geworden. Dass man in Zypern die Kleinanleger ursprünglich zur Kasse bitten wollte, dann aber doch die Einlagensicherung bis 100.000Euro nicht über Bord geworfen hat, ist so ein Beispiel. Man hat einen Fehler „wiedergutgemacht“ und dadurch den nächsten begangen.

Denn mittlerweile scheint auch das letzte Vertrauen in den Bankensektor verloren gegangen zu sein. Das berichtet zumindest der Chef der Oberbank, Franz Gasselsberger, am Mittwoch vor Journalisten. Die paar Sparer, die noch mehr als die durch die Einlagensicherung garantierten 100.000 Euro auf ihrem Sparbuch liegen haben, ziehen das Geld nun endgültig ab und verteilen es auf mehrere Kreditinstitute. Klug, keine Frage. Schließlich will man doch sein Erspartes in Sicherheit bringen.

Auch, wenn diese Sicherheit eine Schimäre ist. Denn: Allein dass in Zypern mehrere Tage lang diskutiert worden ist, Kleinanleger abzuschöpfen, zeigt, dass sich die Staaten und deren Lenker, wenn es am Ende ganz dick kommt, ungeniert über politische Vereinbarungen und Versprechungen hinwegsetzen. Die EU-weite Einlagensicherung ist also ein Trugbild. Das Schöne daran ist nur: Obwohl Zypern „passiert“ ist, glauben die Sparer fest daran.

Und nicht nur das. Essenzielle Elemente des Geldgeschäfts wie Sicherheit, Vertrauen und Seriosität sind mittlerweile völlig nebensächlich geworden. Wenn ohnehin Vater Staat für alles geradesteht (wie man trotz allem glaubt), dann trägt man das Geld natürlich dorthin, wo es die meisten Zinsen abwirft. Dumm wäre man auch.


So hat die Misere übrigens angefangen. Indem Banken, Anleger und so mancher Finanzreferent einer politischen Partei nur hohe Renditen im Kopf hatten. Das Risiko übernahmen dann die Steuerzahler. Mit der Einlagensicherung hat man dafür gesorgt, dass dieser Hinter-mir-die-Sintflut-Kapitalismus auch dem kleinen Sparbuchanleger eingeimpft worden ist. Dieser denkt nicht mehr darüber nach, ob seine Bank seriös und finanziell abgesichert ist, sondern pocht auf die Einlagensicherung. Das ärgert offenbar auch den Oberbank-Chef. Er fordert sogar einen Selbstbehalt auf Sparguthaben von zehn Prozent, falls eine Bank pleitegeht. Nur wer etwas zu verlieren hat, denkt schließlich über die Risken nach. Nicht vorzustellen, Bankmanager hätten solche Warnungen vor zehn Jahren ausgesprochen.

Damals, als sie mit Parolen wie „Lassen Sie das Geld arbeiten“ geworben und mit windigen Finanzprodukten wahnwitzige Zinsen versprochen haben. Wer damals ein Sparbuch hatte, war quasi ein Hinterwäldler, ein Feind seines eigenen Geldes. Heute wird er bekniet oder mit Selbstbehalten bedroht, wenn das alles nichts mehr nützt.


Aber Einsicht kann schließlich nie zu spät kommen. Und wenn sich Bankmanager wieder guter alter Werte besinnen, soll man das nicht gering schätzen. Selbst wenn diese Einsicht dem Umstand zu verdanken ist, dass viele Sparer ihr Geld offenbar von den eingesessenen heimischen Banken abziehen und zu Onlinebanken tragen, die höhere Zinsen anbieten. Das nennt man Wettbewerb.

Tatsächlich verstellen Instrumente wie die Einlagensicherung die Sicht auf das grundlegende Prinzip eines Geldgeschäfts. Und das lautet: Sparer sind die Gläubiger einer Bank. Geht die Bank flöten, ist das Geld weg. Ganz einfach – zumindest in der Theorie.

Und deshalb haben Bankiers in Urzeiten nicht mit Renditen geworben, sondern mit Sicherheit, mit Seriosität, ja mit Langeweile. Und wenn sie da wieder anknüpfen wollen, müssten sie nicht zehn Prozent Selbstbehalt auf Spareinlagen verlangen, sondern hundert Prozent. Denn die Einlagensicherung ist letztendlich nichts anderes als eine staatliche Entmündigung. Nicht nur der Sparer, sondern auch der Banker.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2013)

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