Hundertwassers geheime Tantiemen

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Angeblich hinterließ der Künstler seiner Tochter nur Schulden. Recherchen zeigen, dass (s)eine Schweizer Firma schon damals jährlich Millionenumsätze mit seinen Werken machte.

Angeblich konnte Friedrich Ernst Josef Stowasser mit Geld nicht umgehen. Angeblich brachte er als Künstler Friedensreich Hundertwasser mit seinem aufwendigen Lebensstil alle erzielten Einnahmen durch. Der einzigen Nachfahrin, einer unehelichen Tochter, hinterließ er nur Schulden in Höhe von 1,5 Mio. Euro. Angeblich.
Tatsächlich bestehen 13 Jahre nach seinem Tod Zweifel an dieser Darstellung. Einer Darstellung, an der die von Hundertwasser als Alleinerbin eingesetzte Privatstiftung und deren Vorstand, Hundertwassers Manager Joram Harel, bis heute festhalten. Recherchen lassen darauf schließen, dass die heute 30-jährige Frau nach dem Tod des Künstlers am 19. Februar 2000 um einen millionenschweren Pflichtteil (50 Prozent) gebracht wurde. Angesichts der behaupteten Verbindlichkeiten verzichtete sie 2002 auf ihr Recht.

Vor zwei Monaten veröffentlichte „Die Presse“ Unterlagen über wertvolle Immobilien in Italien und Neuseeland, die im Verlassenschaftsverfahren ungenannt blieben. Weitere Recherchen in Deutschland bringen nun einen anderen Aspekt ans Licht: Demnach scheint denkbar, dass Hundertwassers Privatstiftung und ihre Vorstände auch erhebliche Einnahmen aus der Verwertung von Kunstwerken an der Tochter des Künstlers vorbeischleusten.

Schweizer Briefkasten


Die Konstellation ist komplex. Manager und Stiftungsvorstand Harel hat in der Vergangenheit stets betont, dass die Rechte für die Verwertung des Nachlasses seines Künstlers bei einer schweizerischen Aktiengesellschaft namens Gruener Janura liegen, die heute Namida AG heißt. Dazu existiert ein Papier aus dem Jahr 1973. Eigentümer aller Aktien des Unternehmens war jedoch Hundertwasser selbst. Kritiker mutmaßten damals, dass die Gruener Janura nur dazu diene, Steuern zu sparen und Umsätze zu verschleiern.
Das Ambiente vor Ort lässt auf eine Briefkastenfirma schließen. Auf dem Türschild des Unternehmenssitzes in einem beigefarbenen Bürgerhaus im Städtchen Glarus sind lediglich ein Fotostudio, eine Privatwohnung und zwei weitere Unternehmen vermerkt. Laut Firmenbuch logieren jedoch exakt 50 weitere Unternehmen an der Adresse mit den vielen geschlossenen Fensterläden. Eine mögliche Erklärung: Artikel 958e des Schweizer Obligationenrechts hält fest, dass Bilanzen nur dann veröffentlicht werden müssen, wenn die Gesellschaft entweder an der Börse notiert oder Verpflichtungen aus Anleihen offen hat. Die Diskretion der Eidgenossenschaft ist legendär.
Es gibt allerdings Streitgegner, die dennoch Einblick in die Firma hatten. Noch zu Lebzeiten begann Hundertwasser am Landesgericht München I einen Prozess mit dem Düsseldorfer Handelsriesen Metro. Der soll nach Ansicht des Meisters widerrechtlich Poster des berühmten Wiener Gemeindebaus verbreitet haben. Nach Hundertwassers Tod führte die von ihm eingesetzte Privatstiftung das Verfahren fort, verlangte Schadenersatz. Um den Anspruch darauf zu untermauern, legten Harel und seine Anwälte im Namen der Stiftung Dokumente vor, die zwar im Verfahren gegen Metro halfen, die heute jedoch den Eindruck erwecken, dass man Hundertwassers Tochter nicht über die wahren Vermögensverhältnisse des Künstlers aufgeklärt hatte.
In München ließ die Stiftung 2004 zunächst den eigenen Stiftungsprüfer als Zeugen antreten. Der hielt laut Protokoll fest, dass die Gruener Janura „auf dem Erbweg“ in die Stiftung kam. Und aus heutiger Sicht zur Hälfte der Tochter zugestanden wäre. Tatsächlich wurde das Unternehmen ihr gegenüber nicht einmal erwähnt. Weiters legte Harel ein heute noch viel bedeutenderes Schreiben des einzigen Verwaltungsrats der Gruener Janura, Hanspeter Z., vor (siehe Faksimile). Wörtlich heißt es da, dass „Meister Hundertwasser bis zu seinem Tod 15 Prozent Umsatzprovision erhalten hat und nach seinem Tod die Stiftung, als alleinige Erbin“. Auch davon wusste die pflichtteilberechtigte Tochter bis heute nichts, immerhin hätte sie darauf Ansprüche gehabt.

Keine Stellungnahme


In welcher Höhe, das ist unklar. Über die Umsätze der Gruener Janura (heute Namida AG) wacht das schweizerische Recht. Doch zumindest die Größenordnungen kann man erahnen. Es muss sich um Ansprüche in Millionenhöhe handeln. Bereits im Prozess gegen Metro versicherte die Stiftung nämlich schriftlich, dass allein die Poster-Vervielfältigung eines einzigen Bildes mit dem Titel „Hundertwasser-Haus“ zwischen 1988 und 1998 Umsatzerlöse in der Höhe von zehn bis zwölf Mio. D-Mark (fünf bis sechs Mio. Euro) einbrachte.
Im Vergleich zur Verwertung signierter oder gestempelter „Originaldrucke“ sind das jedoch Peanuts. Diese qualitativ hochwertigen Reproduktionen von Bildern und Grafiken wurden und werden in Auflagen von wenigen hundert bis mehreren tausend Stück verwertet und vertrieben. Zu beachtlichen Preisen. So steht der Druck „Good Morning City“, der allein 10.000 Mal angefertigt wurde, derzeit mit 4500 Euro in der Preisliste. Dieselbe Galerie bietet noch weitere Werke an, von denen laut offiziellem Werkverzeichnis weltweit über 25.000 Stück existieren müssen. Preis pro Exemplar: Zwischen 3550 und 11.600 Euro. Ein gigantischer Markt.
„Die Presse“ konfrontierte Joram Harel über seinen Anwalt Georg Zanger mit der bisher unbekannten Umsatzbeteiligung und bat um eine Stellungnahme innerhalb von 24 Stunden. Die Anfrage blieb unbeantwortet. Beim Landesgericht Wien war zu erfahren, dass ebendort derzeit ein Fortführungsantrag für ein Ermittlungsverfahren gegen Harel wegen Betrugs zur Bearbeitung aufliegt.

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