Prinz Eugen, der „edle Ritter“, das missbrauchte Kind

Prinz Eugen
Prinz Eugen(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Ein hässlicher Bub, verspottet für seine schwulen Neigungen, wird der „Retter der Christenheit“: Zum 350. Geburtstag des Feldherrn machen ein Buch und eine Ausstellung ihn menschlich – aber er bleibt ein Rätsel.

Der Teenager François-Eugène de Savoie-Carignan muss Schlimmes durchgemacht haben, bevor er nach Österreich kam. Pariser nannten ihn und einen zweiten Prinzen „Madame Lancienne“ und „Madame Simon“, nach bekannten Prostituierten. Hässlich, „debauchiert“, ein „kleiner Dreckskerl“, beschreibt ihn eine lästernde Verwandte und spielt auf seine Homosexualität an. Gästen sei er für „schöne Spiele“ zur Verfügung gestanden, er habe auch gerne „die Dame“ gegeben. Altersgenossen hätten ihn geneckt und verspottet.

Reden wir hier über „Eugen, den edlen Ritter“, den „roi des honnêtes hommes“, den „Retter der Christenheit“? Über die Zeit, bevor der kleine Eugène (der klein blieb, 1,54) zu Eugen wurde und ganz Europa ein Vorbild, weiß man wenig – und dieses Wenige klingt nach einer schlimmen Vergangenheit, einem verwahrlosten, ungeliebten, missbrauchten Kind, nach sexueller Demütigung eines schwulen Jugendlichen.

Eugen, der Schwule - die Wiener Grünen haben ihn 2010 in ihrer Initiative „Queering Prinz Eugen“ demonstrativ geoutet, um die offiziöse Gedächtniskultur zu durchkreuzen. Wie tröstlich hätte für Schüler die Story von dem gemobbten jungen Mann sein können, dem es gelang, anderswo ganz neu anzufangen. Aber die lernten lange Zeit nur, dass er mit nichts als einem Schwert ausgerüstet den Habsburgern seine Dienste angeboten habe. Und als Nächstes stand da schon Eugen, der geniale Kriegsführer (überlebensgroß auf dem Heldenplatz zu sehen); Eugen, der große Bauherr (des Belvederes und des Stadtpalais in der Wiener Himmelpfortgasse; Eugen, der Türkensieger („den uns Gott zur Bewahrung der Christenheit zugestanden hat“, verkündet das Grabmal im Stephansdom).

Eugens Glück: Europas Dauerkrieg

Der 20-Jährige hatte das Glück, dass Kriegführen in Europa eine Dauerbeschäftigung war und die von den Türken bedrängten Habsburger dringend Hilfe dabei brauchten. Das wenigstens wurde nie bestritten, dass Eugène ein taktisches Genie war. Schlagartig war sein Name in Europa bekannt, nachdem er die Osmanen besiegt hatte, die über Wien bis nach Westeuropa vorstoßen wollten und deren Befehlshaber, Kara Mustafa, angeblich schwor, aus dem Südturm des Stephansdoms das höchste Minarett der islamischen Welt zu machen.

Als österreichische Symbolfigur hat der sogar in einem Volkslied besungene Prinz heute ausgedient. „Prinz Eugens Geist ist überall dort, wo unsere Soldaten fechten und siegen“, verkündete noch Hugo von Hofmannsthal im Ersten Weltkrieg. Hermann Göring trat in Eugens Fußstapfen, als er sich als Erster seit dem Prinzen Reichsfeldmarschall nannte.

Warum also immer noch kein Ende von Eugen? Antworten liefert umfassend und kurzweilig ein im Residenz Verlag erschienenes Buch von „Kurier“-Redakteur Konrad Kramar und Georg Mayrhofer, „Prinz Eugen. Heros und Neurose“. Man muss nicht mit heutiger „Türkengefahr“-Rhetorik sympathisieren, um den Mann als historische Schlüsselfigur zu sehen, ohne die Europa heute vielleicht ganz anders aussähe. Vor allem aber lässt sich vieles von Leben und Politik des ausgehenden 16. und des 17. Jahrhunderts über seine Biografie verstehen. Sollte man sich nicht eher dem „kleinen Mann“ zuwenden, dem Soldaten, der auf dem Feld fiel, wie viele meinen? Ja, wenn man über diese Individuen so viel wüsste! Dass man über die Erfolgreichen mehr Informationen hat, ist nun einmal ein altes Gesetz der Geschichte. Sie sind es vor allem, an denen man staunend ermessen kann, wie anders – und dann wieder so gar nicht anders – vor Jahrhunderten lebende Menschen waren.

Ein zahmer Löwe als Gästeschreck

Nach dieser Lektüre weiß man, was über den Prinzen zu wissen lohnt, und müsste nicht unbedingt nach Schloss Hof im Marchfeld fahren, zur Ausstellung auf Eugens herrlichem Sommersitz. Es sei denn, man sucht einen Vorwand für einen Frühlingsausflug inklusive sinnlich eingängigem Prinz-Eugen-Crashkurs mit Schlossatmosphäre und Schaustücken wie Bildern aus seiner Sammlung, osmanischen Waffen, einem ausgestopften Löwen (Eugen hatte einen zahmen Löwen) oder einem Blasebalg für Perückenpuder.

Dieser „Eugen für Dummys“-Kurs beginnt mit Olympia, der Nichte des mächtigen französischen Kardinals Mazzarin, die ihren früh vaterlosen Sohn Eugen und seine Geschwister ziemlich sich selbst überließ. Was wissen wir schon über sie? Die Geschichte jedenfalls hakt sie als schlechte Mutter, Mätresse des Sonnenkönigs und vielleicht sogar Gift-Intrigantin ab.

Man geht weiter und erfährt, wie Prinz Eugen ausgesehen haben könnte, als er nach Österreich ausriss, weil er eine Militärkarriere machen und Ludwig XIV. nichts von ihm wissen wollte: Eine „leicht aufgeschupfte“ Nase mit weiten Nasenlöchern, „ein ziemlich langes Kinn und so kurze Oberlefzen, dass er den Mund allezeit ein wenig offen stehen hat und zwei breite Zähne“. Aber mehrere Zeitgenossen heben seine lebendigen dunklen Augen hervor. Man liest, dass er nichts von Damen halte, „ein paar schöne Pagen wären schon eher seine Sach“. Tatsächlich hat der Prinz nie geheiratet, über seine erotischen Gewohnheiten gibt es nur Gerüchte.

Der ganze private Eugen bleibt schwer greifbar, wie er es schon für seine Zeitgenossen war. Er galt als kalt und distanziert, umgeben von einem engen Prinzipien-Korsett. Umso bemerkenswerter, wie menschlich er mit Untergebenen umging, bei denen er sich wohler zu fühlen schien als im „standesgemäßen“ Umgang. Solidarität mit den Schwachen in Erinnerung an eigenes Leid? Ungewöhnlich für die damalige Zeit war jedenfalls seine schroffe Antwort, als der Verwalter des Schlosses Niederweiden Arbeiter entlassen wollte, weil sie nicht mehr nötig erschienen: „Meint Er, ich würde diese Leute nicht brauchen? Meint Er, ich brauche vielleicht Ihn? Braucht man vielleicht irgendeinen Menschen in der Welt? Wenn Er denkt, es sei gestattet, die Menschen verhungern zu lassen, die man nicht mehr braucht, so sage Er mir bloß, wer Ihn und mich vor dem Verhungern schützen soll?“

War Prinz Eugen gar ein „Guter“, wie österreichische Erinnerungspolitik weismachen wollte? Karlheinz Deschner fasst im heuer erschienenen letzten Band seiner „Kriminalgeschichte des Christentums“ die andere Seite zusammen. Im Kapitel „Prinz Eugen und ,unsere christlichen Werte‘“ zitiert er Jonathan Swift: „Die große Neigung dieses Prinzen geht beständig auf Krieg, ohne dass er sich um Ursachen oder Folgen desselben kümmerte, und darauf, sich selbst an der Spitze einer Armee zu sehen . . .“

Zweifellos war Kriegeführen das, was Eugen von Savoyen unübertrefflich konnte und leidenschaftlich gern tat. Kritik daran ist für Nachgeborene leicht. Aber wo würde er seine aggressiven Energien wohl heute hinlenken? Wäre er Banker, Topmanager, Politiker? (Letzteres wohl nicht, dazu liebte er, obwohl eitel, die Öffentlichkeit zu wenig.) Man kann ins Sinnieren kommen . . . Es gibt wohl auch heute dem Kriegshandwerk ähnliche berufliche Usancen, die in späteren Jahrhunderten als schändlich gelten werden.

Auf einen Blick

„Triumph & Passion“, die Jubiläumsausstellung auf Schloss Hof im Marchfeld, ist bis 23. 11. zu sehen, täglich 10 bis 18 Uhr. Im Heeresgeschichtlichen Museum ist ein eigener Raum Prinz Eugen gewidmet. Und ab 18. Oktober wird das Belvedere das Winterpalais des Prinzen in der Himmelpfortgasse in Wien bespielen, in dem sich bis zur Sanierung das Finanzministerium befand. Das Buch „Prinz Eugen. Heros und Neurose“ von Konrad Kramar und Georg Mayrhofer ist im Residenz Verlag erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2013)

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