Zeitgeist im Handel: "Ich möchte alles und das sofort"

Zeitgeist Handel moechte alles
Zeitgeist Handel moechte alles(c) Europark
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Warum trotz boomenden Onlinehandels immer mehr Handelsmarken in die Shopping-Center drängen, erklärt Marcus Wild, Chef der Spar-Tochter SES.

DiePresse.com: Wenn heute ein Shopping-Center errichtet wird, wie viele Jahre kann man da vorausschauen?

Marcus Wild: Man kann nicht auf 30 Jahre vorausschauen. Die Entwicklung der nächsten fünf bis sechs Jahre lässt sich jedoch mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit einschätzen. Wer jetzt das eine oder andere österreichische Unternehmen, das ins Strudeln geraten ist, betrachtet, ist schon überrascht, dass die Schwächesignale von den Verantwortlichen nicht erkannt wurden.

Es gibt zwei Megatrends, einer davon ist die Urbanisierung. Daher ist auch die Investition in urbane Räume etwas Zukunftsträchtiges. Die Bevölkerung zieht generell verstärkt in Städte. Daher steigen dort auch die Grundstückspreise. Wenn es genügend produzierende Betriebe gibt, können auch kleinere und mittlere Städte von diesem Trend profitieren. Auch wenn in Österreich kein Bevölkerungszuwachs zu erwarten ist, wird sich die Situation verändern. Im Großraum Wien werden bis zum Jahr 2030 bis zu 200.000 Menschen mehr wohnen. Das wird in der Werthaltigkeit von Immobilien einfach Berücksichtigung finden. Es gilt noch immer das Gesetz, dass ein knappes Gut im Wert steigt.

Ein zweiter Megatrend ist die starke Veränderung des Kommunikationsverhaltens. Das Smartphone wird zum erweiterten Wissensspeicher und ein soziales Netzwerk. Die Leute kommen besser vorbereitet ins Geschäft und kommunizieren auch anders. Sie sind oftmals größere Experten als die Verkäufer.

Wie werden sich die prognostizierten Zahlen für den Online-Handel mit Marktanteilen von bis zu 30 Prozent im Jahr 2020 für ihr Geschäft auswirken?

Der Online-Handel braucht stationäre Geschäfte auch um Vertrauen zu erwecken. Die Emotionalität für ein Produkt kann am besten in einem Laden erzeugt werden. Die Marke muss am Point of Sale oder dort, wo der Händler den Kundenkontakt generell hat, erlebbar sein. „The Store is the message". Dort wird ausgedrückt, was das Unternehmen als Marke darstellen möchte. Als Konsumenten möchten wir die Räumlichkeit erleben und ein Produkt auch angreifen. Das ist zutiefst menschlich. Ein zweiter Aspekt ist, dass wir in einer Zeit leben, in der die Menschen sagen: "Ich möchte alles und das sofort." Der Zeitfaktor spielt eine wesentliche Rolle in der Kaufentscheidung vieler Kunden. In manchen Sortimentsgruppen entscheiden mehr als die Hälfte der Konsumenten, dass sie ein Produkt sofort wollen und nicht später. Die rasche Verfügbarkeit ist entscheidend. Spontane Entscheidungen im Hier und Jetzt spielen also eine wichtige Rolle. Natürlich gibt es im Internet Produkte, die einfacher und praktischer zu kaufen sind. Dazu gehören Musik oder ein Fachbuch, mitunter auch Textilien oder Spielwaren. Und dann gibt es auch Communities, wo die Emotionalität bei Internet-Bestellungen doch eine große Rolle spielt - was aber eher die Ausnahme ist: z.B. Communities, die sich Schuhe schicken lassen und dann die Pakete, so wie es die Werbung suggeriert, gemeinsam öffnen. Hier wird eine soziale Interaktion, die im Normalfall eine Stärke des stationären Handels ist, ins Private verlagert.

Haben die Shopping-Center in den vergangenen Jahren davon profitiert, dass viele Innenstädte die Entwicklung im Handel verschlafen haben?

In der Vergangenheit haben Einkaufszentren davon profitiert, dass vor allem in Bezirksstädten viel versäumt wurde. Mittlerweile holen zentrale Standorte auf und Center gehen auch in die Innenstädte. In Großstädten ist zu berücksichtigen, dass der öffentliche Verkehr zu- und der Autoverkehr in der Bedeutung abnimmt. Das gereicht den Städten zum Vorteil. Es ist auch ein Effekt der Urbanisierung, dass die Menschen in städtischen Agglomerationen mehr auf den öffentlichen Verkehr zurückgreifen. Deshalb ist es auch für Einkaufszentren wichtig, gute Anbindungen an das öffentliche Verkehrsnetz zu haben. Auch die Zunahme von Car-Sharing-Modellen geht in Richtung weniger Individualverkehr.

Müssten nicht auch die Behörden dafür mit strengeren Regeln bei den Genehmigungen sorgen?

Die Regeln sind streng genug. Ich bin der Meinung, dass große Shopping-Center immer eine öffentliche Verkehrsanbindung brauchen. Eine gute öffentliche Verkehrsanbindung ist eine Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg eines Shopping Centers. Insbesondere dann, wenn es im Einzugsbereich einer großen Stadt liegt.

Wird die Frequenz als Bewertungsfaktor, auch für Mieten, nicht immer wichtiger?

Die Entscheidung vieler Pächter für ein bestimmtes Center fällt immer häufiger frequenzorientiert. Die Umsatzmiete wird künftig eine geringere Bedeutung haben. Je stärker die Entwicklung in Richtung Monobrand Stores (Anm.: Eine Marke verkauft alle ihre Produkte in einem eigenen Geschäft, z.B. Nike-Store) geht, umso mehr sind auch die Multibrand Stores (Anm: Geschäfte, die Produkte mehrerer Markenanbieter verkaufen) gefordert. Ihre Stärke ist es, Innovationen zu bringen und neuen Konzepten rascher zum Durchbruch zu verhelfen. Es wird künftig eine größere Anzahl von Marken geben, die sich in eigenen Geschäften präsentieren wollen. Auch wenn man im Internet kauft, möchte man irgendwann ins Geschäft gehen, wenn etwas nicht funktioniert. Ketten werden vielleicht eine geringere Anzahl von Stores brauchen, um präsent zu sein. Nicht immer rechtfertigen allein die Umsatzzahlen die Pacht, aber die Präsenz an einem solch frequentierten Standort macht diesen wertvoll.

Werden dann die Geschäfte insgesamt kleiner, weil die Großen aufgrund geringeren Umsatzes Flächen abgeben?

Nicht zwangsläufig, denn auch die Multibrand Stores müssen ihre Geschäfte emotionaler machen. Auch wenn Händler ihre Konzepte ändern, weil sie zum Beispiel mehr Dienstleistungen anbieten, brauchen sie größere Flächen. Sicherlich ist künftig jedoch mit mehr Marken-Stores zu rechnen, aber mit einer geringeren Anzahl von Filialen dieser Marken. Das wird auch dazu führen, dass es wenige Shopping Center geben wird, wo man alle Marken vorfindet. Die Mindestgröße von diesen Centern wird steigen, weil noch mehr Marken untergebracht werden. Diese Standorte werden dann noch attraktiver sein und ähnlich einer 1A-Einkaufsstraße höhere Pachten verlangen können. Man braucht sich nur den einen oder anderen Flagship Store in einer Großstadt ansehen.

Was bedeutet das für die Einkaufszentren?

Es wird zu einem größeren Verdrängungswettbewerb kommen. Dominante und erfolgreiche Shopping Center werden - unabhängig von ihrer Größe - noch interessanter, während andere Zentren einem Veränderungsdruck unterliegen. Weiters ist mit einer stärkeren Differenzierung zwischen Convenience Centern (Nahversorgungsungszentrum) und Supra Regional Centern (Anm.: Shopping Center von überregionaler Bedeutung, z.B. Shopping City Süd) zu rechnen. Der Lebensmittelhandel spielt in den Nahversorgerzentren eine wichtige Rolle. Auch Reformhäuser und Drogeriemärkte werden in einer alternden Gesellschaft dort immer höhere Marktanteile erlangen. Insgesamt wird die Bedeutung der Gastronomie zunehmen.

Wie bekommt man Textilkrösus Primark als Mieter?

Ein Unternehmen wie Primark hat ganz klare Vorstellungen. Dabei beurteilen sie auch den Partner. Die SES ist über die Grenzen hinaus bei allen führenden Retailern durch die Center bekannt. Wir konnten die Anliegen von Primark gut nachvollziehen, von der Anlieferungslogistik bis zur Shopfront und so für den Sillpark in Innsbruck begeistern.

Wo dürfen die Kunden Primark als nächstes erwarten, etwa in der Steiermark?

Primark ist für uns ein sehr interessanter Partner. Aber zu konkreten Standorten äußern wir uns nicht.

Wie definiert die SES einen idealen Partner für seine 26 Zentren?

Wir wollen, dass unsere Center populär sind. Deshalb müssen wir beim Mietermix ansetzen. Dieser sollte für mehr als 90 Prozent der Konsumenten relevant sein. Wir legen dann in jeder Branche fest, wer für welchen Standort der Beste ist. Wichtig ist, dass wir den Angebotsmix mit den Stärksten im jeweiligen Genre aufbauen und die Gesamtpopularität sicherstellen. Es ist aber auch unsere ureigene Aufgabe, Innovationen und neue Konzepte zuzulassen.

Wo schauen Sie da hin?

Die meisten innovativen Konzepte sind europäischen Ursprungs. Aber jetzt stehen auch Unternehmen aus Asien vor der Tür. Es gibt auch exzellente türkische Konzepte, echte Trendsetter, die aber momentan noch nicht spruchreif sind.

Sie haben mit dem Hervis ein Unternehmen aus der Sportbranche in der Sparfamilie. Eybl, ein großer Mitbewerber hat Probleme. Liegt das an der Branche oder am Unternehmen?

Hervis ist es gelungen, sich als der preisgünstigste Anbieter im Sporthandel zu profilieren. Genanntem Mitbewerber ist ein gravierender Fehler bei der Markenlogik unterlaufen. Als Händler darf man nichts machen, was nicht zur Marke passt. Die Fehler sind nach meiner Einschätzung im Bereich der Eigenmarken- und Standortpolitik zu suchen. Im Sporthandel gibt es darüber hinaus die Tatsache, dass viele Marken ihre eigenen Stores eröffnen. Und das alles knabbert an den Umsätzen der Sportartikelhändler. Salomon, Jack Wolfskin, Billabong, jeder Sportschuh hat seinen eigenen Laden. Letztendlich nehmen diese Chance aber auch wieder die Shopping-Center wahr.

Zeitgeist Handel moechte alles
Zeitgeist Handel moechte alles(c) Christian Herzenberger

Zur Person

Marcus Wild ist seit 2007 Vorsitzender der Geschäftsführung von SES Spar European Shopping Centers, der strategischen Immobilien- und Shopping-Center-Gesellschaft der SPAR Österreich-Gruppe. Der studierte Betriebswirt hat langjährige Erfahrung im Bereich Handel und Immobilien. Er zeichnet als Geschäftsführer für die erfolgreiche Entwicklung des EUROPARK Salzburg bis heute verantwortlich: Wild begann seine berufliche Laufbahn bei Metro Deutschland und wechselte 1994 zu SPAR. SES betreibt derzeit 26 Shopping-Center - darunter den EUROPARK in Salzburg - in fünf Ländern und ist Marktführer in Österreich und Slowenien.

(herbas)

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