Reizfigur Thatcher: Denkmalpläne und Todespartys

Britischer „Humor“ leidenschaftlicher Thatcher-Gegner: „Eiserne Lady? Roste in Frieden.“
Britischer „Humor“ leidenschaftlicher Thatcher-Gegner: „Eiserne Lady? Roste in Frieden.“(c) Reuters (CATHAL MCNAUGHTON)
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Noch in ihrem Tod spaltet die "Eiserne Lady" Großbritannien. Die Langzeit-Premierministerin Margaret Thatcher polarisiert. Die Feindschaften sind nicht begraben - weder im In- noch im Ausland.

Der Bannstrahl der „Eisernen Lady“ trifft Argentinien über ihren Tod hinaus. In ihrem Testament verbat sich Margaret Thatcher die Teilnahme von Vertretern des lateinamerikanischen Erzfeindes am Begräbnis. Präsidentin Cristina Kirchner wird den Affront vermutlich als nicht so schlimm empfinden, hat sie im Falkland-Konflikt zuletzt doch wieder die anti-britischen Ressentiments in Buenos Aires geschürt.

Mehr als 30 Jahre ist der Krieg um den Archipel im Südatlantik her, die Feindschaft ist indes noch nicht begraben. Und dies gilt umso mehr für das politische Vermächtnis der Greißlertochter aus Grantham in ihrer Heimat. Der „Daily Telegraph“, ein Leibblatt der Tories, sah sich angesichts der Flut an Schmäh-Mails aus Pietätsgründen gezwungen, das Kommentarportal auf seiner Website zu schließen. Zeitungen publizieren Fotos von Wand-Graffiti: „Roste in Frieden“ oder „Verrotte in der Hölle“.

So unversöhnlich ist die Stimmung unter den hartgesottenen Thatcher-Gegnern, dass sie fürs Wochenende zu „Todespartys“ aufgerufen haben, wie sie bereits am Abend nach ihrem Ableben in Glasgow, Liverpool und im Südlondoner Arbeiterviertel Brixton stattgefunden haben – mit Reggae-Klängen und überschäumendem Jubel. Im ganzen Land ließen Hunderte ihrem lang aufgestauten Hass freien Lauf: „Maggie, Maggie, Maggie – dead, dead, dead“, skandierten sie. „Sie wäre enttäuscht gewesen, hätte es nicht lautstarke Proteste gegeben“, meinte eine Tory-Abgeordnete süffisant.

Eine Facebook-Kampagne löste auf der Insel derweil großen Zuspruch aus: „Ding Dong, the Witch is Dead“, ein Song aus dem Musical „Der Zauberer von Oz“, klettert in den Pop-Charts nach oben – in der Originalversion Judy Garlands wie der der Jazzdiva Ella Fitzgerald.

Bedeutender als Churchill

Die Meinung über die Langzeit-Premierministerin ist polarisiert wie zu Zeiten ihrer Triumphe anno 1983. Nach einer Umfrage des linken „Guardian“ akklamieren 50 Prozent ihre Amtszeit, 35 Prozent lehnen die Zäsuren der Thatcher-Ära ab. 28 Prozent der Briten gilt sie als bedeutendste Regierungschefin des Landes – noch vor Kriegspremier Winston Churchill.

De mortuis nil nisi bene: Das lateinische Diktum, wonach man Toten nichts Schlechtes nachsagen solle, ist im Fall Thatcher aufgehoben. Lilien und Tulpen zierten ihr Denkmal außerhalb des Parlaments in Westminster, als drinnen die Regierung eine siebenstündige Sondersitzung zu ihren Ehren abhielt und die Parlamentarier eigens aus den Osterferien trommelte. Eine Mehrzahl der Labour-Abgeordneten wollte Thatcher nicht ihre Reverenz erweisen, die grünen Lederbänke in den Oppositionsreihen blieben weitgehend verwaist.

Premier David Cameron pries die Galionsfigur der Konservativen in einer Eloge: „Sie zog die Linien auf der politischen Karte, an denen wir uns noch heute orientieren. Sie erzeugte ein politisches Klima, sie machte Geschichte und – lasst dies ihre Grabinschrift sein – sie machte unser Land wieder groß.“ Oppositionsführer Ed Miliband vollführte einen rhetorischen Balanceakt, wollte ihr seinen Respekt jedoch nicht versagen. „Sie war eine einzigartige, überragende Figur.“ Manche seiner Parteifreunde hielten sich nicht an den Comment.

Blairs Warnung vor Linksruck

Anderntags redete ihnen ihr Ex-Parteiführer Tony Blair in einem Beitrag für die Linksintellektuellen-Postille „New Statesman“ ins Gewissen. Der Schöpfer von „New Labour“ und dem „Dritten Weg“ warnte seine Partei vor einem „Linksruck“. Labour dürfe sich nicht ins „Wohlgefühl“ einer linken Ideologie zurückziehen und nicht in Grabenkämpfe zurückfallen, schrieb Blair, vielfach als „Erbe Thatchers“ punziert. Unmittelbar nach ihrem Tod in ihrer Suite im Hotel Ritz hatte er sie gewürdigt: „Sie änderte nicht nur die politische Landschaft, sondern die Welt.“

Keiner ihrer Mitstreiter und Widersacher, der sich eines Kommentars enthalten hätte – bis auf Ex-Gewerkschaftsführer Arthur Scargill, ihren Gegner im Bergarbeiterstreik. Filmregisseur Ken Loach giftete: „Privatisiert ihr Begräbnis, nehmt das billigste Angebot. Das hätte ihr gefallen.“ 15 Mio. Pfund soll das Begräbnis am Mittwoch verschlingen, dem auch die Queen beiwohnen wird. Eine Geschützlafette wird den in einen Union Jack gehüllten Sarg von Westminster durch die City zur St. Paul's Cathedral ziehen. Thatcher-Fans wälzen schon Pläne für ein Denkmal am Trafalgar Square. Das letzte Wort hatte sie sich ohnehin vorbehalten: Eine von ihr autorisierte Biografie erscheint erst nach ihrer Beerdigung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2013)

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