Schluss mit der Blockade

Das Problem Menschenhandel hat sich in Europa verschlimmert. Höchste Zeit, in der EU dagegen aktiv zu werden.

Die Frist für die Umsetzung neuer, effektiverer EU-Vorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels ist verstrichen. Dennoch hat die Mehrzahl der EU-Länder die Vorschriften bisher nicht umgesetzt. Eine am Montag von der EU-Kommission veröffentlichte Studie belegt, dass die Zahl der Opfer von Menschenhandel weiter steigt, dass die Verurteilungen wegen Menschenhandels aber rückläufig sind.

Immerhin, wir haben angefangen, uns ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen. Noch vor ein paar Jahren haben führende Politiker in Europa vielfach so getan, als ob das Problem gar nicht existiere – zumindest nicht im eigenen Land. Es hieß, nur „bestimmte Frauen“ würden verschleppt beziehungsweise Menschenhandel sei ein Problem, das hauptsächlich die Nachbarländer der EU betreffe.

Inzwischen haben Europas Politiker das wahre Ausmaß des Menschenhandels begriffen: Dass Männer, Frauen und Kinder wie Waren innerhalb Europas und über Europas Grenzen hinweg verkauft werden und dass eine stärkere internationale Kooperation der einzige Weg ist, den Schlepperbanden das Handwerk zu legen.Im Zuge der Verschlechterung der Wirtschaftslage in Europa und der dadurch bedingten gestiegenen Nachfrage nach „Ware“ war abzusehen, dass sich die organisierten Banden weiter ausbreiten würden. Mittlerweile lässt sich mit Sicherheit sagen, dass sich die Dinge noch weiter verschlimmert haben.

Immer mehr Opfer in Österreich

Laut der von der Kommission gestern vorgelegten Studie stieg die Anzahl der bekannt gewordenen Opfer von Menschenhandel in Österreich zwischen 2008 und 2010 um 72Prozent von 36 auf 62. In der EU insgesamt stieg die Anzahl der bekannt gewordenen und mutmaßlichen Opfer von Menschenhandel zwischen 2009 und 2010 von 7800 auf 9500. Die Dunkelziffer dürfte beträchtlich sein.

Trotz dieses Anstiegs haben nur wenige EU-Mitgliedstaaten die neuen, strengeren EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Menschenhandel umgesetzt, auch wenn sie 2011 gemeinsam beschlossen wurden. Nur sechs der 27 Mitgliedstaaten haben der Kommission die vollständige Umsetzung der neuen Vorschriften in innerstaatliches Recht mitgeteilt. Österreich ist leider nicht dabei. Die Umsetzungsfrist lief am 6.April ab. Die Mitgliedstaaten hatten somit für die Umsetzung zwei Jahre Zeit. Sie dürfen die Zügel nicht länger schleifen lassen.

Dank neuer Rechtsvorschriften werden die Gerichte in ganz Europa Menschenhandel künftig gleichermaßen hart bestrafen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen den Opfern ab sofort in angemessener Form Hilfe leisten.

Da die einzelstaatlichen Vorschriften stark variierten, habe ich als EU-Kommissarin als Erstes einen neuen gesetzlichen Rahmen eingeführt. In einigen Ländern stand auf Menschenhandel lediglich eine sehr kurze Freiheitsstrafe. Jetzt, da wir uns auf ein höheres Strafmaß und einen besseren Schutz der Betroffenen geeinigt haben, müssen die Mitgliedstaaten ihren Worten Taten folgen lassen.

Jedes EU-Land muss endlich die neuen EU-Vorschriften zum Menschenhandel umsetzen. Die strafrechtliche Verfolgung muss dabei im Vordergrund stehen. Dies wäre ein klares und eindeutiges Signal an die Opfer, dass uns ihr Schicksal nicht gleichgültig ist.

Cecilia Malmström (*1968 in Stockholm) ist seit Februar 2010 EU-Kommissarin für Innenpolitik.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2013)

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