Bundesheer: Aus der Küche ins Gefecht

Im koalitionären Gleichschritt: Ministerin Johanna Mikl-Leitner und Ressortchef Gerald Klug am Montag auf dem Truppenübungsplatz Seetaler Alpe.
Im koalitionären Gleichschritt: Ministerin Johanna Mikl-Leitner und Ressortchef Gerald Klug am Montag auf dem Truppenübungsplatz Seetaler Alpe.(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Verteidigungsminister Klug und Innenministerin Mikl-Leitner präsentierten die ersten Ergebnisse der Grundwehrdienstreform. Leerläufe soll es nicht mehr geben. Das ist aber nur eine erste Teil-Einigung.

Seetaler alpe. Um die ersten Zwischenergebnisse der Wehrdienstreform zu präsentieren, hatten sich Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zumindest kulissentechnisch viel Mühe gegeben: Die Journalisten wurden für die Pressekonferenz via Hubschrauber zum Truppenübungsplatz Seetaler Alpe in die Steiermark eingeflogen. Damit sie nicht über die matschige Wiese spazieren mussten, wurde sogar ein grüner Teppich ausgebreitet. Doch bei den inhaltlichen Details der Reform hielten sie sich großteils zurück.

Die politische Arbeitsgruppe, in der Klug und Mikl-Leitner sitzen, hat sich ein hohes Ziel gesetzt: In den nächsten beiden Jahren soll das Verhältnis Systemerhalter (also Rekruten, die nur als Gehilfen arbeiten) zu Rekruten im „militärischen Kerngeschäft“ von derzeit 60 Prozent zu 40 Prozent „zumindest umgedreht“ werden – ein „Paradigmenwechsel“, wie der Verteidigungsminister es nennt. Wie dies genau funktionieren soll, werde allerdings erst Ende Juni feststehen, sobald der Endbericht der Reform auf dem Tisch liege.

Doch da der Bevölkerung bereits im Herbst erste Verbesserungen versprochen wurden, gebe es auch „kurzfristige Maßnahmen“, so Klug. Vor allem Köche und Kellner sollen schnellstmöglich reduziert werden, im Herbst bereits um zehn Prozent. 350 Grundwehrdiener könnten so zusätzlich militärisch ausgebildet werden. Derzeit seien 1800 Grundwehrdiener Kellner, 1600 Chauffeure. Ab 2014 möchte Klug die kellnernden Grundwehrdiener um 50 Prozent reduzieren. 900 würde man so „eins zu eins hin zur Truppe“ bringen.

So würden jedenfalls „unnötige“ Leerläufe der Grundwehrdiener beseitigt werden, meint Mikl-Leitner. Wie unnötig diese Stellen tatsächlich waren, zeigt der Umstand, dass die ersten Posten gar nicht nachbesetzt, sondern schlicht und einfach gestrichen werden. Mit jedem einzelnen Koch und Kellner könne man das natürlich nicht machen. Daher sollen laut Mikl-Leitner jene Grundwehrdiener, die in dem Bereich beruflich ausgebildet sind, auch dort eingesetzt werden. Und: „Die Reduktion der Systemerhalter soll so erfolgen, dass keine Kompensationsmaßnahmen nötig sind.“ Sprich: Teurer soll die Wehrpflicht durch ihre Reform nicht werden.

Dass Klug wohl selbst nicht ganz diesem Versprechen vertraut, zeigen seine Notfallpläne. Reichen Einsparungen in anderen Bereichen und Umschichtungen im Ressort nicht, könne man immer noch auf Rücklagen zurückgreifen. Wie viel dies ausmache, wollte er nicht verraten. In den Jahren 2010 bzw. 2011 hat das Verteidigungs- und Sportressort jedenfalls Rücklagen von 112 bzw. 57Millionen Euro gehabt.

Pilotprojekt des Ex-Verteidigungsministers

Dass die ersten Ergebnisse der Reform die Systemerhalter betreffen, hat wohl einen guten Grund: Hier waren sich SPÖ und ÖVP sogar vor der Volksbefragung am 20. Jänner einig, dass diese „Leerläufe“ gestrichen werden müssten. Und auch der Truppenübungsplatz Seetaler Alpe wurde nicht nur wegen der Naturkulisse ausgesucht: Seit 2012 werden hier keine Rekruten mehr als Systemerhalter eingesetzt – ein Pilotprojekt von Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos. Eines von drei Pilotprojekten, die Mikl-Leitner immer schon ein Dorn im Auge waren. Daher betonte sie auch gestern: „Auf ganz Österreich ist dieses Projekt nicht übertragbar.“ Alle Systemerhalter könne man nicht streichen.

Und hier wird auch klar, dass der koalitionäre Frieden eigentlich nur ein Waffenstillstand ist. Inwieweit sich ÖVP und SPÖ in weiteren Fragen der Wehrpflichtreform einigen können, bleibt abzuwarten. Denn laut Klug ist das Heer „kein Nachhilfeinstitut der Nation, kein Abenteuerurlaub“. Damit erteilt er den ÖVP-Forderungen, den Rekruten verstärkt Ernährungs- und Staatsbürgerschaftskunde zu geben, eine versteckte Absage. Die Aufgabe des Heeres sei der Schutz der Bevölkerung, danach sei auch der Grundwehrdienst auszurichten.

In den nächsten Wochen sollen Ergebnisse im Bereich der Miliz folgen. Auch hier will man sich auf SPÖ-Seite an den Pilotprojekten des ehemaligen Ministers orientieren, heißt es aus dem Verteidigungsressort. Dieser hatte eine Profimiliz mit Prämie vorgesehen. Der ÖVP dürfte dies nicht gefallen.

Klug machte am Rande auch eine weitere Ankündigung: Noch heuer sollen 40 Millionen Euro zusätzlich und damit insgesamt 105 Millionen Euro in die Verbesserung der Infrastruktur investiert werden.

Sind erst einmal die Bedürfnisse der Grundwehrdiener gestillt, wartet auf den Minister viel Wichtigeres: Die Sicherheitsstrategie im Parlament soll bald verabschiedet werden – Cyber-Angriffe und das Scheitern von Staaten sind hier wichtige Bedrohungsszenarien. Österreichs Heer wird da wohl noch modernisiert werden müssen.

Dass Systemerhalter übrigens manchmal doch ganz praktisch sind, zeigte am Montag folgende Tatsache: Um die Journalisten am Truppenübungsplatz von A nach B zu bringen, wurde ein Systemerhalter als Chauffeur aus einer steirischen Kaserne herbestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2013)

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