Nur weil es Gratisblätter gibt, ist es nicht in Ordnung, auch für die Wochenendzeitung nicht zu zahlen.
Die Zeiten sind vorbei, als Verlage Bewacher engagiert haben, die sich auf die Lauer legen, um jene zu überführen, die sich gratis aus den Entnahmetaschen bedienen wollen. Als „Kavaliersdelikt“ geht die Sache aber nicht durch: Rechtlich betrachtet ist es Diebstahl (auch wenn es sich bei einem Gegenwert von zwei Euro um ein geringfügiges Delikt handelt). Und wer es macht, darf auch ein schlechtes Gewissen haben: Es würde auch niemand in Ordnung finden, das Kilo Brot fürs Wochenende nicht zu bezahlen. Und nur weil es auch Gratiszeitungen gibt, die nicht nur in der Finanzierung, sondern auch journalistisch ein anderes Konzept verfolgen, heißt das noch nicht, dass man sich die anderen Zeitungen gratis nehmen kann.
Ganz nebenbei: Wer sich die Zeitung einfach so nimmt, riskiert eine Verurteilung – es gilt keine Bagatellgrenze, so Strafrechtsexperte Helmut Fuchs: „Es ist Diebstahl“ und damit „eine Straftat“. Er hält aber eher eine sogenannte Diversion für denkbar: eine Geldbuße. „Wenn jemand zweitausend Euro zahlen muss, gewöhnt er sich das ab.“ Anders ist es mit einem kurzen Blick ins Blatt: Das Horoskop zu lesen und die Zeitung sofort unversehrt in die Entnahmetasche zurückzulegen hat keine strafrechtlichen Konsequenzen. i.w.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2013)