Unbeschwerte Urlaubsgrüße aus Nordkorea?

NORTH KOREA KIM IL SUNG ANNIVERSARY
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Exotische Destinationen sind heute so günstig erreichbar wie noch nie. Doch was ist mit Staaten, die ihre eigene Bevölkerung unterdrücken? Touristiker raten zum „aufmerksamen Reisen“

So unterschiedlich die Touren, einen Programmpunkt führen sie beide im Programm: den Besuch des Mansudae-Monuments. Vor der 20 Meter hohen Bronzestatue verbeugen sich die Touristen aus dem Westen, und zwar ohne „Kaugummi zu kauen, Süßigkeiten zu essen oder schmuddelige Kleider“ zu tragen, wie es auf der Webseite von Political Tours heißt.

Der Besuch des Denkmals von Nordkoreas Staatsgründer Kim Il-Sung ist obligatorisch, ob nun für die Besucher von Political Tours oder für jene, die ihr Nordkorea-Abenteuer bei Hofer Reisen buchten – bis vor Kurzem, denn der Trip wurde „aus organisatorischen Gründen aus dem Programm genommen“, wie es auf Nachfrage heißt. Nichtsdestotrotz: Asien-Reisen seien „immer mehr gefragt“, „sei es nach Burma, Kambodscha, Laos oder auch nach Nordkorea“.

Ob man nun mit Hofer Reisen oder aber mit Political Tours unterwegs ist, hängt vom Geldbeutel ab: Zehn Tage mit Hofer-Reisen nach China und Nordkorea kosteten 2359 Euro. Der ehemalige Balkan-Korrespondent der „New York Times“, Nicholas Wood, bietet seine Zehn-Tages-Tour um 2750 Pfund an, 3200 Euro also, exklusive Flug. Der Ex-Journalist erklärt, dass die Besucher sich an strenge Regeln halten müssten: Das Hotel ohne Guide zu verlassen sei „nicht möglich“. Und: „Wir bitten unsere Touristen, die Koreaner und ihre Vision des Großen Führers zu respektieren.“

Ist das Exerzieren der „Sitten“ eines Landes wie Nordkorea nun gar der Inbegriff von „politisch korrektem“ Tourismus? Soll man in Staaten reisen, deren Führung dem Nachbarn mit einem Atomkrieg droht? Oder ist Nordkorea eine Destination wie jede andere? „Aus reiner Sensationslust“ in ein Land zu reisen sei „problematisch“, sagt Karin Chladek von „Naturfreunde Internationale“ in Wien. Außerdem: „Die Devisen landen in dubiosen Händen.“ Von Boykottaufrufen hält sie jedoch wenig.

„Ein Tourismusboykott hätte wohl wenig Einfluss auf die Regierung. Aber wir raten bei einer Destination wie dieser zu besonderer Aufmerksamkeit durch Veranstalter und Reisende“, sagt Antje Monshausen von Tourism Watch. Tourism Watch ist eine Arbeitsstelle von „Brot für die Welt“ in Berlin und setzt sich für die Entwicklung eines nachhaltigen, sozial verantwortlichen Tourismus ein.

Mehrmals machten sich in der Vergangenheit Initiativen für Reiseboykotts stark: als in Südafrika das Apartheidregime herrschte, kurdische Organisationen riefen zum Urlaubsboykott der Türkei auf, die burmesische Zivilgesellschaft riet vom Urlaub in ihrer Heimat ab. Doch Kriterien für eine „schwarze Liste“ von Urlaubszielen zu entwickeln sei schwierig, sagt Monshausen: „Es gibt Reiseländer, die man nicht unbedingt mit Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang bringt, wo aber elementare Rechte verletzt werden – auch im Namen der Tourismusentwicklung.“ Grundsätzlich gilt, so Chladek: Individualtouristen haben größere Chancen, dass die Bevölkerung von den Ausgaben profitiert. „Beim Pauschalurlaub geht das Geld meist an ein internationales Unternehmen.“

Gesucht: Der „verantwortliche“ Konsument

Statt „Reiseverboten“ geht es den Touristikern um die Erziehung zum „verantwortlichen“ Konsumenten, der weiß, „wohin genau er fährt und warum“, so Chladek.

Der internationale Reiseverkehr ist auch kaum aufzuhalten: 983 Millionen Auslandsreisen zählte die Welttourismusorganisation (UNWTO) 2011 weltweit, mehr als die Hälfte davon unternahmen Europäer. Fernreisen waren noch nie so günstig; mehr als ein Drittel aller Reisen führen in Entwicklungsländer, wo die Urlauber mit einer Vielzahl an sozialen und politischen Problemstellungen konfrontiert sind: Armut, Kinderarbeit, Regionen, in denen Krieg und Vertreibung stattgefunden haben. Reiseveranstalter hätten hier eine besondere Verantwortung, „nicht konfliktverschärfend“ zu wirken, erklärt Monshausen.

Zertifikate in Corporate Social Responsibility (CSR) sollen jene Reiseveranstalter auszeichnen, die Menschenrechte, Effekte auf Umwelt und Soziales bei ihren Angeboten berücksichtigen. 64 Unternehmen sind derzeit bei der deutschen Agentur Tourcert als nachhaltige Reiseveranstalter zertifiziert. Der Anteil kritischer Konsumenten in der „Sonnenscheinwirtschaft“ steigt. Monshausen: „Je reiseerfahrener Menschen sind, desto aufgeschlossener werden sie. Nach mehreren All-inclusive-Urlauben trauen sich viele Reisende zu, stärker selbst gestaltete Reisen zu wählen. Das Bedürfnis, einmal etwas anderes zu machen, wächst.“

Heute gibt es sogar spezielle Angebote für besonders Engagierte: Während sich Alternativtouristen früher im Kibbuz oder auf einer „Solidaritätsbrigade“ verdingten, werden heute Projekt-, Volunteering- und Survivalreisen verkauft. Authentizität ist das Schlagwort – etwa bei Marco Polo Reisen: Da kann man auf Costa Rica Brüllaffen erspähen, indianische Heilkunst von Dorffrauen erlernen und Wasser von Lianen trinken. 17 Tage, ab 2689 Euro pro Person.

Service: Gut Reisen

Tourism Watch: hilfreiche Broschüren für Urlauber unter www.tourism-watch.de

Naturfreunde Internationale: www.nfi.at

TourCert: www.tourcert.org

Forum nachhaltiger Reiseveranstalter:http://forumandersreisen.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2013)

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