Die Suche nach der guten Mobilität

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Darf man heute noch mit dem Auto in der Stadt unterwegs sein? Natürlich – es ist nur nicht besonders schlau. Und wirtschaftlich schon gar nicht.

Wien. Zu Fuß zu gehen ist besser als Radfahren. Radfahren ist besser, als den öffentlichen Verkehr in Anspruch zu nehmen. Und alles ist besser, als mit dem Auto zu fahren.

Wer als Städter diese simple Formel beherzigt, kommt dem idealen Mobilitätskonzept jedenfalls schon ziemlich nahe – egal, ob man nach ökologischen oder ökonomischen Kriterien rechnet. „Das Schöne ist, dass die nachhaltigeren Verkehrsmittel auch die billigeren sind“, sagt Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ), einer Organisation, die sich besonders für die Anliegen von Verkehrsteilnehmern abseits der Autos einsetzt.

Wirtschaftlich sei der Verzicht auf den motorisierten Individualverkehr sowohl für die Gesellschaft als auch für die Benutzer ein Gewinn, rechnet Gratzer vor: Der Statistik des VCÖ zufolge fährt jeder Wiener Autofahrer täglich im Durchschnitt 36 Kilometer, macht 13.140 Kilometer im Jahr. Die Kilometerkosten sind abhängig von vielen Faktoren wie Type, Alter des Autos, dem Fahrstil und Ähnlichem – aber nimmt man als Orientierungspunkt das amtliche Kilometergeld von 42 Cent, kommt man auf durchschnittliche Kosten von 5518,80 Euro im Jahr, mit denen sich das Autofahren zu Buche schlägt.

Ein Preis, um den man derzeit mehr als 15 Jahreskarten der Wiener Linien (365 Euro) bekommen könnte – oder mehr als drei Jahresnetzkarten der ÖBB (1640 Euro). Selbst wenn man für Möbeltransporte und andere Fälle auf Mietwagen zurückgreifen muss, ist der öffentliche Verkehr somit wirtschaftlich weit konkurrenzfähiger als der motorisierte Einzelverkehr. Dabei sind die öffentlichen Kosten, die die Gesellschaft sowohl für Individual- als auch für öffentlichen Verkehr trägt – wie Streckenbau oder Folgekosten durch Umweltverschmutzung –, noch gar nicht mitbedacht.

Ebenso deutlich fällt die Rechnung aus, wenn man die Frage nach der Nachhaltigkeit stellt: Die staatliche deutsche Energieagentur Dena hat berechnet, dass ein Auto pro Personenkilometer einen Energieaufwand von 1800 Kilojoule hat, ein Linienbus bei durchschnittlicher Auslastung nur 850kJ, eine Straßen- oder U-Bahn-Garnitur 800kJ. Am wenigsten Energie verbraucht eine E-Lok im Fernverkehr, wo selten gebremst bzw. beschleunigt werden muss – sie kommt auf 300 kJ pro Person und Kilometer.

Abschließend lässt sich optimistisch sagen, dass der Anteil der Autofahrer in der Stadt stetig sinkt: Wurden vor 20 Jahren noch 40 Prozent aller Wege in Wien mit dem Pkw zurückgelegt, waren es im Vorjahr nur noch 27. Gleichzeitig stieg der Anteil des öffentlichen Verkehrs von 29 auf 39 Prozent.

Streitfall SUV

Eine höchst umstrittene Sonderfrage in puncto Mobilitätsetikette ist jene nach den „SUV“ (Sport Utility Vehicle). Diese Geländewagen gelten als gierige Spritfresser, als Kampfansage an die ökologische Mobilität und wirtschaftliche Vernunft. Trotzdem boomen sie enorm: Bereits jeder fünfte in Österreich gekaufte Neuwagen ist ein SUV. Dabei wohnt der typische SUV-Käufer in einer Stadt. Beispielsweise hat die Josefstadt (der kleinste Wiener Bezirk) die höchste SUV-Dichte in ganz Österreich.

Sind SUV also ein Schlag gegen die Nachhaltigkeit? „Sie sind in Bezug auf Treibstoffverbrauch und Platzbedarf ungünstiger als andere Autos“, erklärt Gerd Sammer (Institut für Verkehrswesen auf der Universität für Bodenkultur). „Das sind Auswirkungen, die man steuerlich berücksichtigen sollte.“ Sein Fazit: „Wenn man Nachhaltigkeit ernst nimmt, ist ein SUV kontraproduktiv.“

Die Autoindustrie zeigt sich empört über die Vorwürfe. „Faktum ist, dass 90Prozent aller SUV in die Kompakt- und Mittelklasse fallen. Das bedeutet, sie sind nicht größer und sie brauchen auch nicht mehr Treibstoff als andere Autos“, meint Christian Pesau (Verband der Automobilimporteure): Er sieht eine politische Kampagne gegen die SUV, vor allem in Wien.

Ökologisch orientierte Menschen lassen das nicht gelten: Nachhaltiges Autofahren sei nur mit Hybridfahrzeugen möglich. Hier läuft ein Schlagabtausch, seit das US-Marktforschungsunternehmen CNW 2005 eine Studie veröffentlichte, die die „social energy costs“ von Automobilen untersucht hat. Demnach schneide der spritfressende SUV Hummer H2 in der Gesamtbilanz der Energiekosten besser ab als der Toyota Prius, der Urahn der Hybridfahrzeuge. Denn: Aufgrund der Zusatzkomponenten des Hybridsystems (Elektromotor, Batterie etc.) wird bei der Herstellung eines Hybriden mehr CO2 emittiert als bei der Herstellung eines vergleichbaren Benzinfahrzeuges bzw. verursache die Rohstoffgewinnung für die Batterien ebenfalls CO2.

Diese Studie ist umstritten. Verkehrsexperte Sammer meint dazu: „Im Stadtverkehr hat ein Hybrid deutliche Vorteile.“ Sobald man auf die Autobahn wechselt, gibt es aber Nachteile, denn dort fährt der Hybrid nur mit Benzin bzw. Dieselmotor. Durch das höhere Gewicht (das Hybridsystem muss mitgeschleppt werden) steigt der Spritverbrauch. Sammer: „Der Hybrid ist nicht so grün, wie oft behauptet wird.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2013)

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