Mobilität von Arbeitskräften birgt Chancen für Mensch und Wirtschaft

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Warum man die Arbeitnehmerfreizügigkeit als eine positive Errungenschaft der EU bezeichnen darf.

Wien/Aga. Die europaweite Arbeitsmobilität stößt hierzulande nicht nur auf Gegenliebe: Auch 18 Jahre nach dem EU-Beitritt muss sie in Österreich großteils als Stiefkind des gemeinsamen Wirtschaftsraums bezeichnet werden. Seitens der Bevölkerung besteht nach wie vor die Angst, Einwanderer aus Ost- und kriselnden Südländern könnten Österreichern den Arbeitsplatz streitig machen. Für diese Befürchtung gibt es aber keinen Anlass, wie die Erfahrung zeigt: Seit 1. Mai 2011 gilt etwa die Arbeitsmarktfreizügigkeit für Staatsbürger aus Ungarn, Polen, Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen. Spürbare Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt wurden seit der Öffnung aber nicht bemerkt, teilte das Innenministerium auf Anfrage der „Presse“ mit. Ebenso wenig werde die Öffnung der Grenzen für Arbeitskräfte aus Bulgarien und Rumänien ab 1.1.2014 sich negativ für österreichische Arbeitssuchende auswirken. Auch aus den südeuropäischen Krisenstaaten ist kein Ansturm zu befürchten: Zwar zeigt sich prozentuell durchaus ein deutlicher Unterschied, wenn man die Werte von 2011 und 2012 miteinander vergleicht. Die Zahl der Arbeitsmarktflüchtlinge aus Portugal stieg in diesem Zeitraum um 50 Prozent, Griechen und Spanier rangierten mit 37 bzw. 20 Prozent dahinter. Betrachtet man die absoluten Zahlen, ist aber kein Anlass zur Besorgnis gegeben: Nur etwa 140 Spanier, 160 Griechen und 120 Portugiesen auf der Suche nach einem Arbeitsplatz leben derzeit in Österreich.

Doch die gemeinsame Arbeitnehmerfreizügigkeit birgt nicht nur potenzielle Chancen für Arbeitskräfte aus wirtschaftlich angeschlagenen Regionen. Auch Österreicher können davon profitieren – was hierzulande oft vergessen wird. Das Interesse, für einige Zeit ins Ausland zu ziehen und dort zu arbeiten, ist in Österreich gering. So gaben in einer Umfrage des europäischen Statistikamtes Eurostat nur fünf Prozent der Österreicher an, von der Arbeitsmobilität profitiert zu haben. Im EU-Schnitt sind es elf Prozent. Dabei gäbe es im EU-Ausland Angebote im Überfluss: Die digitale EU-weite Arbeitsplatzbörse Eures wies gestern, Freitag, 1.440.025 freie Stellen, 1.102.590 Lebensläufe von Bewerbern und 30.536 registrierte Arbeitgeber aus. Der grenzfreie Arbeitsplatz Europa kann also für beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – dazu dienen, Mängel auf der einen und Überschüsse auf der anderen Seite auszugleichen. In Österreich hat bisher besonders die Tourismusbranche vom Austausch über das EU-weite Netzwerk profitiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2013)

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