Boston: Wiege der amerikanischen Revolution

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In Boston nahmen die Unabhängigkeitsbestrebungen der USA ihren Ausgang. Das Stadtzentrum ist voller historischer Orte.

Ein Schuss, der um die ganze Welt gehört wurde: Ralph Waldo Emerson war selten um erhebende Worte verlegen – und schon gar nicht, wenn es um den Beginn der amerikanischen Revolution ging. In seiner „Concord Hymn“ flocht Emerson jenem ersten Gefecht des Unabhängigkeitskrieges Kränze, das in den Morgenstunden des 19. April 1775 einige Kilometer westlich von Boston ausbrach. 1630 von puritanischen Siedlern gegründet, von denen viele aus der englischen Kleinstadt gleichen Namens in die Neue Welt ausgewandert sind, hat Boston einen besonderen Platz in der amerikanischen Geschichte.

Mit den Tatsachen der Ereignisse vom 19. April nahm es der Dichter Emerson nicht so genau: Denn erstens dürfte der erste Schuss nicht im Dorf Concord, sondern nebenan in Lexington gefallen sein. Und zweitens kann man diese beiden Scharmützel kaum als Schlachten bezeichnen; gerade einmal 700 britische Soldaten waren ausgerückt, um versteckte Kanonen revolutionärer Unruhestifter zu beschlagnahmen und die Aufständler Samuel Adams und John Hancock zu verhaften. Ihnen stellten sich ebenfalls nur ein paar hundert Milizionäre und „Minutemen“ entgegen, Truppen, die binnen Minuten kampfbereit sein sollten.

Die Spuren der Revolution kann man an vielen Orten Bostons aufspüren. Da wäre natürlich das Haus von Paul Revere, jenem Silberschmied und Kupferstecher, der im Dienst der Revolutionäre schon 1770 eine Straßenschlacht zwischen britischen Soldaten und einer wütenden Menge propagandistisch zum „Boston Massacre“ erhöht hat. Wendet man sich nach Süden und spaziert eine Viertelstunde von Reveres Haus ins Bostoner North End, kommt man zum Old State House, jenem Sitz der Kolonialregierung, vor dem es zu der tragischen Auseinandersetzung am 5. März 1770 gekommen ist. Eine steinerne Rosette im Straßenpflaster markiert den Ort, an dem fünf Demonstranten im Kugelhagel der britischen Gardisten gestorben sind.

Nur wenige Minuten entfernt steht die Old North Church. In ihrem Glockenturm ließ Revere am Vorabend der ersten revolutionären Gefechte Lichter entzünden, um die Revolutionäre in Charlestown am anderen Ufer des Charles River vor Truppenbewegungen der Briten zu warnen. Dann galoppierte er wie vom Teufel getrieben nach Lexington und Concord – ein Ritt, der ebenfalls poetisch verewigt worden ist, 1860 von Henry Wadsworth Longfellow.

All diese geschichtsträchtigen Orte findet der Fremde leicht, denn sie sind durch eine rote Linie auf dem Trottoir zu einem „Freedom Trail“ verbunden. Er beginnt am „Boston Common“, jener Grünfläche, ganz nahe beim Ort der Anschläge vom Bostoner Marathon, die von alters her als Weidefläche und Versammlungsort genutzt wurde. Im 17. Jahrhundert henkten die fanatischen Puritaner dort vermeintliche Hexen, später campierten die britischen Truppen hier, ehe sie am 17. März 1776 die Stadt nach dem verlorenen Unabhängigkeitskrieg verließen.

Der Schauplatz der „Boston Tea Party“ hingegen liegt abseits des „Freedom Trail“. Ein Schiff dient heute als Museum zum Gedenken an jenen Akt des zivilen Ungehorsams, als Bostoner Kaufleute am 17. Dezember 1773 mehrere Ladungen englischen Tee ins Hafenbecken kippten. Sie demonstrierten damit gegen die Teesteuer, mit der die britische Krone die Kolonien an den Kosten der Verwaltung und einer 10.000 Mann starken Garnison zu beteiligten versuchten.

Wenig tat es zur Sache, dass der derart besteuerte englische Tee noch immer billiger war als geschmuggelter niederländische; an der Wiege der Vereinigten Staaten von Amerika war Dichtung eine diensteifrige Hebamme prosaischer Realpolitik.

Fakten

1630. Boston wird von puritanischen Siedlern gegründet, die den Ort nach der englischen Stadt benennen, aus der sie stammen.

17. Dezember 1773.Bürger lehnen sich in der „Bostoner Tea Party“ gegen eine Anhebung der Steuern durch das Londoner Parlament auf.

19. April 1775.Westlich von Boston bricht das erste Gefecht des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs aus. Ein Jahr später erklären sich die USA für unabhängig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2013)

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