Gerade erst hat die Normalisierung zwischen den einstigen Partnern begonnen, da sorgt eine geplante Gaza-Reise des türkischen Premiers für neuen Ärger. Erdoğan will damit innenpolitisch punkten.
Istanbul. Gleich zu Beginn der schwierigen Wiederannäherung zwischen den früheren Partnern Türkei und Israel zeichnete sich am Montag neuer Streit ab: Delegationen beider Länder sprachen in Ankara über Entschädigungszahlungen Israels an Hinterbliebene der Opfer des israelischen Angriffs auf die türkische Gaza-Flottille im Mai 2010. Doch Pläne des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdoğan für einen Besuch im von der islamistischen Hamas kontrollierten Gazastreifen trotz Einspruchs der USA überschatteten den Neuanfang.
Fast drei Jahre lang hatte es zwischen der Türkei und Israel kaum Kontakte gegeben. Nach dem Tod von neun türkischen Aktivisten bei dem israelischen Angriff auf das Gaza-Schiff Mavi Marmara warf Ankara den israelischen Botschafter aus dem Land und reduzierte den politischen Austausch auf ein Minimum.
Erst als die USA zu dem Schluss gelangten, dass der Dauerstreit der beiden wichtigsten amerikanischen Partner in Nahost angesichts der Krisen in Syrien und Iran möglichst rasch beendet werden sollte, gab es neue Bewegung. Israels Premier Benjamin Netanjahu entschuldigte sich Ende März auf amerikanischen Druck bei Erdoğan und ermöglichte damit die Gespräche in Ankara vom Montag.
Angst vor Aufwertung der Hamas
Aber die von Washington erhoffte rasche Aussöhnung ist schwierig. Erdoğan hat sich öffentlich auf einen Besuch in Gaza Ende Mai festgelegt. Eine solche Reise sähen die USA, Israel und auch Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, der sich am Montag zu Gesprächen in Istanbul aufhielt, überhaupt nicht gern. Sie befürchten eine Aufwertung der militanten Hamas. Gleichzeitig würde der gemäßigte Abbas weiter geschwächt, wodurch die von den USA gewünschten Friedensgespräche zwischen den Palästinensern und Israelis weiter verkompliziert würden.
Wie ernst es Washington mit diesen Bedenken ist, zeigte die Tatsache, dass Außenminister John Kerry am Sonntag in Istanbul zu der ungewöhnlichen Methode griff, Erdoğan öffentlich zur Verschiebung seiner Gaza-Reise aufzurufen. Es wäre am besten, wenn die Akteure im Nahen Osten „so wenig von außen abgelenkt werden wie möglich“, sagte Kerry.
Doch für Erdoğan, der kommendes Jahr Präsident werden will, wäre ein Verzicht auf die Reise unter US-Druck innenpolitisch höchst schädlich. Das Programm des Regierungschefs, der im Mai zunächst nach Washington und dann nach Gaza reisen will, werde nicht geändert, ließ die Regierung die Zeitung „Hürriyet“ wissen. Ohne ein Ende der Gaza-Abriegelung will Erdoğan auch keinen neuen Botschafter-Austausch zwischen der Türkei und Israel erlauben.
Unpopuläre Kurdenpolitik
Erdoğans Reaktion habe innenpolitische Gründe, sagte Celalettin Yavuz vom türkischen Politikinstitut Türksam der „Presse“. Da die Kurdenpolitik des Premiers bei den Türken nicht auf die gewünschte Zustimmung stoße, wolle er nun auf anderen Gebieten punkten. „Deshalb sagt er: ,Ich fahre nach Gaza, auch wenn die USA und Israel das nicht wollen‘“, meint Yavuz.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2013)