USA: Die Horrorklinik des Doktor Gosnell

Abtreibung Doktor Gosnell
Abtreibung Doktor Gosnell(C) Fabry
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Der Mordprozess gegen einen Abtreibungsarzt sorgt für Behördenkritik und wirft die Frage auf, ob die Medien aus weltanschaulichen Gründen weggeschaut haben.

Washington. Als Agenten des FBI und der lokalen Polizei am 18.Februar 2010 wegen des Verdachts illegalen Betäubungsmittelhandels eine Klinik im ärmlichen Westen von Philadelphia stürmten, stießen sie auf ein Bild des Grauens.

„Da war Blut auf dem Boden. Der Geruch von Urin hing in der Luft. Eine von Flöhen befallene Katze schlich durch die Räume, im Stiegenhaus lag Katzenkot. Halb bewusstlose Frauen, die auf ihre Abtreibungen warteten, stöhnten im Wartezimmer. Sie waren alle von unbefugtem Personal betäubt worden, niemand konnte sagen, welche Medikamente und Schmerzmittel sie in welchen Dosierungen erhalten hatten“, heißt es im 280-seitigen Bericht jenes Gerichts, an dem seit einer Woche der Mordprozess gegen den Klinikbetreiber Kermit Gosnell läuft.

Es geht um den Vorwurf des achtfachen Mords. Gosnell soll sieben neugeborene und lebensfähige Babys nach der Entbindung getötet haben, indem er ihre Wirbelsäulen durchschnitt. „Snippen“, „Schnipseln“, nannte das Klinikpersonal diese Tötungsart. Ehemalige Mitarbeiter der Klinik gaben zudem zu Protokoll, über die Jahrzehnte hinweg hunderte Spätabtreibungen vollzogen zu haben; oft wurden die Babys erst außerhalb des Mutterleibs umgebracht. Gosnell soll zudem 2009 seiner Patientin Karnamaya Mongar (41) eine tödliche Überdosis an Schmerzmitteln verabreicht haben. Die Staatsanwaltschaft fordert in ihrer Anklage die Todesstrafe für den 72-jährigen Arzt.

Die Gosnell-Affäre sorgt seit ihrem Auffliegen vor drei Jahren für schwere Kritik an den Gesundheitsbehörden von Philadelphia. Allein seit dem Jahr 2002 sei Gosnell zweimal wegen ärztlichen Fehlverhaltens gemahnt worden. Gerüchte über die Zustände in der Klinik habe es seit Jahren gegeben. Und dass die Behörden letztlich zuschlugen, war einzig dem sorglosen Umgang des Klinikpersonals mit Schmerzmitteln geschuldet; andernfalls wäre die Klinik möglicherweise noch immer in Betrieb.

Abtreibungsgegner und konservative Politiker werfen zudem den amerikanischen Leitmedien vor, aus weltanschaulichen Gründen kaum oder gar nicht über Gosnells Klinik berichtet zu haben. Denn die meisten Journalisten der großen Fernsehsender und Zeitungen unterstützen das Recht der Frauen auf Abtreibung, das der Oberste Gerichtshof heuer vor 40Jahren in seinem Urteil in der Sache „Roe vs. Wade“ festgestellt hat. Der Fall Gosnell zeige nach Ansicht der Abtreibungsgegner, dass auch die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs kein Allheilmittel gegen gefährliche Hinterhofabtreibungen sei.

Gespaltene Gesellschaft

Die amerikanische Gesellschaft ist in dieser Frage gespalten. In einer Gallup-Umfrage vom Jänner sagten 52Prozent, dass Abtreibung nur unter gewissen Bedingungen erlaubt sein solle. 43 Prozent sagten damals in einer Pew-Umfrage, dass Abtreibung unmoralisch sei; 46 Prozent verneinten das. Zuletzt scheinen die Abtreibungsgegner an Rückenwind zu gewinnen: In der aktuellsten Umfrage von NBC News und dem „Wall Street Journal“ erklärten 52 Prozent, dass Abtreibung mit oder ohne Bedingungen immer verboten sein soll.

Auf einen Blick

In der Abtreibungsklinik des Arztes Kermit Gosnell in Philadelphia wurden jahrzehntelang Schwangerschaften auf höchst gefährliche und unhygienische Weise abgebrochen. In zumindest sieben Fällen wurden die lebensfähigen Babys erst nach der Entbindung umgebracht; eine Patientin starb an einer Überdosis von Schmerzmitteln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2013)

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