Serbien: Sex, Lügen und Skandale

serbisch-orthodoxen Kirche im Zwielicht
serbisch-orthodoxen Kirche im Zwielicht(c) REUTERS (� Hazir Reka / Reuters)
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Von Selbstbereicherung über Verherrlichung von Kriegsverbrechen bis zu Kindesmissbrauch: Bischöfe der serbisch-orthodoxen Kirche im Zwielicht.

Alter schützt offenbar auch betagte Kirchenfürsten nicht vor fatalen Fehltritten: Seit Tagen berichten serbische und bosnische Medien über anzügliche Videoaufnahmen des sogenannten „Teufelsbischofs“, Vasilije Kačavenda: Sie sollen den 74-jährigen, optisch ziemlich streng wirkenden Bischof des serbisch-orthodoxen Bistums von Zvornik-Tuzla in Bosnien beim Austausch intimer Zärtlichkeiten mit vermutlich Minderjährigen zeigen.

Als „kleine Pornokollektion“ bezeichnet die Belgrader Zeitung „Blic“ gar die eindeutigen Videoaufnahmen, die Fotografien und mehr als 40 Zeugenaussagen, die dem Heiligen Synod der Serbisch-Orthodoxen Kirche (SPC) als Beweis für das keineswegs nur göttliche Treiben ihres Kirchendieners vorliegen.

Vor allem als strammer Nationalist hatte sich Kačavenda schon während des Bosnienkriegs in den 1990er-Jahren einen zweifelhaften Ruf erworben: Mit den Truppen des mit ihm seinerzeit befreundeten Serben-Generals Ratko Mladić war der Bischof am 13. Juli 1995 in die bosnische Muslim-Enklave Srebrenica einmarschiert und rief dort am Vorabend des berüchtigten Massakers an mehr als 7000 Muslimen in flammenden Reden zur „Rache an den Türken“ auf: „Blut schreit nach Rache.“

Stripper im Bischofspalast?

Der unter dem dringenden Verdacht des Kindesmissbrauchs stehende Geistliche, der sich zu hohen Feiertagen auch schon männliche Stripper in den Bischofspalast von Bijeljina (Nordostbosnien nahe Tuzla) bestellt haben soll, ist indes keineswegs das einzige schwarze Schaf in den Reihen der serbisch-orthodoxen Bischofsriege: Die Liste der Fehltritte von Serbiens „Scheinheiligen“ scheint lang zu sein.

Alljährlich im Herbst wettert etwa das seit 2010 amtierende Kirchenoberhaupt, Patriarch Irinej (82), mit ziemlichem Erfolg gegen das vermeintliche Sodom und Gomorra der „Homo-Paraden“, die Serbiens Regierung hernach meist willfährig im Voraus verbietet. Bei sexuellem Missbrauch von Priesterseminaristen und Religionsschülern durch eigene Würdenträger drücken die Sittenwächter im Heiligen Synod jedoch meist beide Augen zu.

Bereits 2002 wurde Bischof Pahomije von Vranje (Südostserbien) des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen angeklagt. In einem Skandalurteil erklärte Jahre später das zuständige Gericht 2006 schließlich die Hälfte der Delikte für „verjährt“, in den anderen Fällen konstatierte es einen Mangel an Beweisen: Die Aussagen minderjähriger Zeugen seien nicht urteilsrelevant. Erleichtert ließ die Kirche dann das „Kapitel für geschlossen“ erklären. Doch mittlerweile haben sich weitere Opfer und Zeugen gemeldet – und nun ermittelt die Justiz erneut.

Liebhaber von Luxuslimousinen

Neben fleischlichen Gelüsten macht Serbiens orthodoxer Klerus jedoch auch durch rein materielle Begierden von sich reden. Die Bischöfe sind etwa als Liebhaber von Luxuslimousinen bekannt.

Doch nicht immer haben sie sich ihren stattlichen Wohlstand auch redlich und im guten Geist erworben: Seit Jahren sieht sich Bischof Filaret, der im Kroatienkrieg Panzer und Krieger segnete, mit dem Vorwurf der Unterschlagung von Hilfsgeldern für Flüchtlinge konfrontiert, zudem soll er vom UN-Tribunal in Den Haag gesuchten serbischen Kriegsverbrechern auf ihrer Flucht geholfen haben.

Spenden veruntreut

Mit tränenfeuchten Spendenaufrufen für die bedrohten serbischen Landsleute im abtrünnigen Kosovo verschaffte sich auch der mittlerweile abgesetzte Erzbischof Artemije (78) von Raszien-Prizren das Kapital für sein erstaunlich umfangreiches Immobilienimperium: Der Großteil der Spenden floss in seine eigene Tasche.

Auch mit dem von ihm angemahnten Schutz der kirchlichen Kulturgüter in Kosovo nahm er es selbst nicht so genau: Das Sandsteingemäuer des als Unesco-Weltkulturerbe klassifizierten Klosters in Peć ließ er zum Entsetzen von Denkmalschützern 2009 rostrot verputzen.

Lexikon

Die serbisch-orthodoxe Kirche ist eine autokephale (eigenständige) Kirche der orthodoxen Ostkirche, ähnlich der russisch-, bulgarisch- oder griechisch-orthodoxen Kirche. Ihr Schwerpunkt ist naturgemäß in Serbien selbst, wo rund 84 Prozent der Bevölkerung bzw. etwa 6,4 Millionen Menschen zur serbisch-orthodoxen Kirche zählen.
Weitere Schwerpunkte sind Bosnien und Herzegowina (rund 1,5 Mio. Gläubige), Deutschland (570.000), Montenegro (460.000), Österreich (385.000), Kroatien (201.000), Kanada (100.000), Australien (95.000) und Frankreich (um die 80.000). Oberhaupt der serbischen Orthodoxie ist seit Jänner 2010 Patriarch Irinej von Serbien (*1930).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2013)

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