60 Männer aus Österreich im syrischen Jihad

Rebellen-Kämpfer in Syrien
Rebellen-Kämpfer in SyrienEPA
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Österreichische Sicherheitsbehörden befürchten eine Radikalisierung: Bis zu fünf Dutzend Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und vor allem Tschetschenien sind in den Syrien-Krieg gezogen.

[WIEN] Der Bürgerkrieg in Syrien zieht Tausende Gotteskrieger aus aller Welt an. Die meisten pilgern aus arabischen Nachbarländern zum Kampf gegen den syrischen Diktator Bashar al-Assad. Zunehmend folgen zudem junge Muslime aus Europa dem Ruf zu den Waffen. Der Terrorismusexperte Gilles de Kerchove schätzt, dass derzeit rund 500 Islamisten aus Europa in Syrien kämpfen.

Auch Österreich ist zu einem Ausgangspunkt für den bewaffneten Jihad geworden. Wie „Die Presse" aus Sicherheitskreisen erfuhr, haben sich bis zu 60 Männer aus Österreich auf die Seite der Rebellen in Syrien geschlagen. Es handle sich dabei großteils um syrische, pakistanische, afghanische und tschetschenische Asylwerber oder Flüchtlinge. In den vergangenen Monaten hätten sich zehn bis 15 Tschetschenen aus Österreich auf den Weg in den Syrien-Krieg gemacht. Die österreichischen Behörden betrachten diese Entwicklung mittlerweile als „Sicherheitsrisiko". Denn die Kriegserfahrung radikalisiere die Kämpfer oft. Besonders unter die Lupe genommen haben österreichische Verfassungsschützer in diesem Zusammenhang die tschetschenische Szene in Graz.

Insgesamt leben rund 26.000 Tschetschenen in Österreich, die meisten davon sind infolge der Tschetschenienkriege (1994-96, 1999-2009) gekommen und leben hier als Asylwerber oder anerkannte Flüchtlinge. Die Konfliktlinien ihrer Heimat trennen sie auch hier: Es gibt Anhänger des früheren separatistischen Pragmatikers Aslan Maschadow, aber auch Sympathisanten Doku Umarows. Umarow ist ein islamistischer Rebellenführer („Kaukasus-Emirat"), der sich in den Wäldern der russischen Teilrepublik versteckt hält und gegen die Moskau-treue Führung von Ramsan Kadyrow kämpft. Auch Parteigänger Kadyrows halten sich in Österreich auf.

Der Weg der Jihad-Touristen führt meist über die Türkei. Dort verliert sich ihre Spur. Deshalb kann die Polizei nur schätzen und nicht genau angeben, wie viele verdächtige Personen nun tatsächlich die Grenze nach Syrien überquert haben, um sich den Rebellen anzuschließen.

Werbevideos aus Syrien

Kämpfer mit Nordkaukasus-Hintergrund sind in Syrien recht aktiv. Nach Angaben der syrischen Armee seien es 100 Männer. Es dürften freilich um einige mehr sein: Allein im Februar sollen 17 nordkaukasische Kämpfer in der Region Aleppo ums Leben gekommen sein, geben die Rebellen an.

Eine Schlüsselrolle im Engagement tschetschenischer Jihadisten spielt der Kommandant Abu Omar al-Shishani (auch al-Chechen genannt, „der Tschetschene"), ein Verbündeter Umarows und Veteran aus den Tschetschenienkriegen. Al-Chechen stammt aus dem georgischen Pankisi-Tal und befehligt in Syrien die „Brigade der Migranten und Unterstützer" („Jaish al-Muhajireen wa Ansar"), die 1000 Kämpfer umfassen soll.

Es ist eine internationale Brigade, der neben Tschetschenen auch Kämpfer aus Russland, der Ukraine, Türkei und Tadschikistan angehören - sogar ein Han-Chinese soll darunter sein. Ob es tatsächlich 1000 Kämpfer sind, ist schwer zu überprüfen. Auf einem Video, abrufbar auf der Webseite der Brigade, sind bei einer Versammlung höchstens 200 bis 300 schwer bewaffnete und teils vermummte Rebellen zu sehen. Die Brigade soll Mitte 2012 ursprünglich von libyschen Kämpfern gegründet worden sein.

Al-Chechen - er trägt eine Wollmütze, einen auffälligen roten Vollbart und tritt stets in sportlicher Survivalkleidung auf - ist in der Stadt und Provinz Aleppo aktiv. Laut einschlägigen Webseiten hat die internationale Brigade am Dienstag den Militärflughafen von Aleppo erobert und 20 Schützen- und Kampfpanzer russischer Bauart erbeutet. Auch bei anderen Anschlägen in der Region soll sie sich beteiligt haben. In einem anderen Video ruft al-Chechen, umringt von Kämpfern, zum Jihad auf. „Wir haben viele Chancen verpasst", sagt er. „Aber hier und heute besteht eine reale Chance, die Scharia in anderen Staaten zu verbreiten." Und al-Chechen verrät in seinem Werbevideo auch, was er und seine Kämpfer am dringendsten benötigen: „in erster Linie Geld".

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