Geschwärzte Akten, politisch wieder aktive Ex-Angeklagte und „Haltung“ als Militärvokabel: Die österreichische Autorin Kathrin Röggla über ihr neues Buch „Laufendes Verfahren“.
Sie haben viele, viele Male während des NSU-Prozesses im Gerichtssaal gesessen. Haben Sie bestimmte Momente als ganz besonders schlimm in Erinnerung?
Vielleicht bei einem meiner ersten Besuche den Moment, wo in einer ungeheuren Emotionalität über Kopiervorlagen gestritten wurde, über die Frage, ob man einen Antrag in Kopie abgeben kann oder nicht. Darüber wurde herumgeschrien. Ich glaube, es wäre ein anderes Buch geworden, wenn ich nicht 2017, sondern am Anfang, 2013, drin gesessen wäre. Da war die Stimmung schon so sauer und es gab einfach groteske Anträge von der Verteidigerseite.
Die Überforderung in den Besucherrängen – das ist etwas, das man beim Lesen Ihres Romans „Laufendes Verfahren“ besonders spürt . . .
Ja, man muss sich klar machen, bei diesem Prozess gab es eine Million Akten. Kein Mensch kein einzelner Prozessbeteiligter, kann da den Überblick haben. Es gab im Gericht immer wieder groteske, geradezu surreale Momente, weil da so viel fehlte oder geschwärzt war. Dem musste ich irgendwie gerecht werden. Man kann nicht erwarten, dass man bei einem Prozess, wo so viel Nichtwissen, Schweigen im Vordergrund waren, Informationen geliefert bekommt, die einem alles aufschließen. Das stünde mir auch gar nicht zu.
Sie haben über den NSU-Prozess schon ein Theaterstück und ein Hörspiel gemacht. Was war der erste Anstoß, darüber zu schreiben?