Die Bundesbank verschärft den Ton

Weidmann President of Germany's federal reserve bank Bundesbank addresses bank's annual news conference in Frankfurt
Weidmann President of Germany's federal reserve bank Bundesbank addresses bank's annual news conference in FrankfurtREUTERS
  • Drucken

Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank, geht mit der EZB hart ins Gericht und warnt vor der „Erpressung“ der Zentralbank durch die Krisenländer.

Wien. Würde man die Finanzwelt auf einen Schulhof reduzieren, es gäbe grob drei Gruppen: die Banker und Spekulanten, das wären die coolen Kids, die auch einmal unnötige Risken eingehen. Die Rolle der Regulatoren übernimmt in diesem Bild eindeutig die überarbeitete und unterbezahlte Lehrerschaft. Und die Notenbanker, die Währungshüter – das wären die Nerds, die zu große Brillen tragen und ein bisschen zu viel Skepsis in sich tragen, um ihre „Kindheit“ ungezügelt genießen zu können. Diese Nerds sind es gewohnt, untereinander in Codes zu reden – die außerhalb der Gruppe ohnehin kaum verstanden werden. Sie bedienen sich dabei selten strenger Worte. Aber manchmal sickert etwas durch. So wie jetzt eine 29-seitige Stellungnahme des Bundesbank-Chefs, Jens Weidmann, die via „Handelsblatt“ an die Öffentlichkeit geraten ist. Eigentlicher Adressat des geheimen Papiers: das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Der Inhalt ist beunruhigend: Die Nerds, die unser Geld hüten, zerstreiten sich immer mehr.

Die Deutsche Bundesbank nimmt dabei die Rolle des Mahners ein. Nicht erst seit gestern, schon zwei deutsche EZB-Notenbanker (Jürgen Stark und Axel Weber) sind aus Protest gegen die allzu lockere Geldpolitik der EZB von ihren Posten zurückgetreten. Die Käufe von Staatsanleihen durch eine Zentralbank widersprechen der Hartwährungsphilosophie der Bundesbank – und verzerren die Anreizstrukturen für Regierungen. Anders gesagt: Wenn griechische Anleihen mit „frisch gedrucktem“ Geld der EZB gekauft werden, wozu sollte Athen dann den unangenehmen, aber notwendigen Sparkurs weitergehen?

„Erpressungspotenzial“

Jens Weidmann befürchtet offenbar, dass ausgerechnet der unbedingte Wille der EZB, den Euro zu retten, zum Problem werden könnte. Die „im Raum stehende unbedingte Garantie des Fortbestehens der Eurozone in ihrer gegenwärtigen Zusammensetzung“ bedeute „in letzter Konsequenz, dass auch eine vom Finanzmarkt unabhängige Finanzierung eines Landes erfolgen kann, um dessen weiteren Verbleib in der Eurozone zu sichern“. Mit einer „vom Finanzmarkt unabhängigen Finanzierung“ ist freilich die direkte Versorgung eines Staates mit frischem Zentralbank-Geld gemeint – eine Vorgehensweise, die der EZB explizit verboten ist. Und zwar auch, weil Deutschland bei der Gründung des Euro darauf bestand.

Die bisher angekauften Staatsanleihen im Volumen von rund 200 Mrd. Euro waren schon Grund genug für Proteste der Bundesbank. Die von EZB-Chef Mario Draghi in Aussicht gestellten „notfalls unbegrenzten“ Anleihenkäufe haben aber das Fass zum Überlaufen gebracht. Allerdings: Noch hat die EZB keine neuen Staatsanleihen mit frischen Euros gekauft. Noch reicht Draghis Ankündigung zur Beruhigung der Märkte. Italien kann sich derzeit sogar äußerst günstig refinanzieren.

Weidmann ortet trotzdem ein „besonderes Erpressungspotenzial gegenüber dem Eurosystem“, weil Regierungen der EZB sinngemäß sagen könnten: Gebt uns Geld, oder wir steigen aus. Etwaige weitere Anleihenkäufe durch die EZB wären zwar an die Auflagen des ESM gebunden, aber Weidmann bezweifelt, dass die EZB den Geldhahn abdrehen könnte, sollten Reformen ins Stocken geraten.

Die Unabhängigkeit der EZB und ihrer Geldpolitik sei gefährdet, so Weidmann. Vorschläge, wie man es besser machen könne, finden sich in dem Schreiben des Bundesbank-Chefs aber nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

A sign is seen outside the headquarters Germany's federal bank Deutsche Bundesbank in Frankfurt
Home

Deutsche Bundesbank übt scharfe Kritik an EZB

Die Deutsche Zentralbank sieht die Unabhängigkeit der EZB gefährdet. Es sei nicht die Aufgabe der Notenbank, ein Land vor dem Euro-Austritt zu retten.
GERMANY ECB DRAGHI
Home

EZB diskutiert Zinssenkung: "Nur wenig Munition übrig"

Der Leitzins verharrt auf einem Rekord von 0,75 Prozent. Nun schürt der portugiesische EZB-Vize die Erwartungen auf eine weitere Zinssenkung. Doch andere Ratsmitglieder und Wirtschaftsinstitute sind skeptisch.
Lockere Geldpolitik reicht nichtldquo
International

IWF: "Lockere Geldpolitik reicht nicht“

Finanzpolitiker suchten am Wochenende nach Wegen aus der Wirtschaftsflaute. Dass Gelddrucken allein nicht reiche, sagten fast alle. Sonst gab es wenig Einigkeit.
verteidigt sich gegen BundesbankVorwuerfe
International

EZB verteidigt sich gegen Bundesbank-Vorwürfe

"Die Europäische Zentralbank handelt innerhalb ihres Mandates", wehrt sich die EZB gegen Kritik der Deutschen Bundesbank.
Sparerenteignung auf dem Höhepunkt
Mein Geld

Sparerenteignung auf dem Höhepunkt

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins auf ein historisches Tief gesenkt. Damit verschlechtert sich die Situation für die Sparer und viele Anleger noch einmal. Sie zahlen für die Krise.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.