Gesetzgeber beharrt auf späterer Vorrückung

Mit einer Dienstrechtsnovelle hat der Gesetzgeber auf jenes VwGH-Erkenntnis reagiert, das einen Öffentlich-Bediensteten früher vorrücken ließ und damit eine Diskriminierung beseitigte.

„Umsetzung von Unionsrecht“: Fast trotzig klingt eine Bestimmung im Gehaltsgesetz, mit der der Gesetzgeber auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom Herbst vorigen Jahres reagiert hat. Das Höchstgericht hatte darin ausgeführt, dass der Gesetzgeber nur unzureichend eine Richtlinie gegen Diskriminierung wegen des Alters umgesetzt habe. Anders sieht es der Gesetzgeber: „Durch die §§ 8, 12 und 113 Abs. 10 bis 15 dieses Bundesgesetzes wird die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf für den Bereich der Vorrückung im Bundesdienstverhältnis in österreichisches Recht umgesetzt“, heißt es seit der Dienstrechtsnovelle 2012 in §7a Gehaltsgesetz.

Ein Schritt vor, einer zurück

Der Gesetzgeber war zunächst durch eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Fall „Hütter“ (C-88/8) zum Handeln gezwungen worden. Der EuGH hatte damals eine Diskriminierung aufgrund des Alters festgestellt, weil Öffentlich-Bediensteten jene Vordienstzeiten, die sie vor dem 18. Geburtstag zurückgelegt hatten (z. B. in Form einer Lehre), nicht angerechnet worden waren. Daraufhin wurde das Gehaltsgesetz so geändert, dass seither auch diese Zeiten berücksichtigt werden. Allerdings müssen die Betroffnen seither auch länger auf die zweite Gehaltsstufe warten, sodass sich im Ergebnis nichts ändert. Gustav Wachter, emeritierter Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Innsbruck, hat dies im „Rechtspanorama“ als „schlitzohrig“ und als „Trick“ kritisiert. Auch der Verwaltungsgerichtshof hatte von einer unzureichenden Umsetzung des Unionsrechts gesprochen.

„Diskriminierende Auswirkungen bleiben bestehen“

Der Gesetzgeber beharrt nun trotzdem darauf. In den Erläuterungen zu der zitierten Bestimmung beruft er sich auf eine weitere EuGH-Entscheidung aus dem Jahr 2011 im Fall „Sabine Hennings gegen Eisenbahn-Bundesamt“ (C-297/10). Darin hieß es wörtlich, dass die einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts „einer (…) Maßnahme (…) nicht entgegenstehen, mit der ein Vergütungssystem, das zu einer Diskriminierung wegen des Alters führt, durch ein auf objektive Kriterien gestütztes Vergütungssystem ersetzt wird und zugleich für einen befristeten Übergangszeitraum einige der diskriminierenden Auswirkungen des erstgenannten Systems bestehen bleiben, um für die bereits in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Angestellten den Übergang zum neuen System ohne Einkommensverluste zu gewährleisten.“

Gesetzgeber will Besitzstand wahren

Genau das will der Gesetzgeber auch mit der von Wachter kritisierten Neuregelung erreicht haben: „Das Lebensalter spielt bei der Ersteinstufung in das jeweilige Entgeltschema keine Rolle mehr, die Neuregelung ist daher in sich diskriminierungsfrei“, so die Erläuterungen zum neuen §7a. „Für bereits im Dienst- oder im Ruhestand befindliche Bedienstete bleibt die EuGH-Urteil Hütter beanstandete Ungleichbehandlung zwar in einem gewissen Ausmaß bestehen, der
Grund dafür besteht aber ausschließlich in der Wahrung des Besitzstands bzw. des Vertrauensschutzes.“ Anders ausgedrückt: Damit niemand im Gehalt zurückfallen müssen, rücken die mit fehlenden Vordienstzeiten aus der Jugend nicht früher vor.

Ministerium: Keine weiteren Fälle betroffen

Das Büro von Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek betont, dass die VwGH-Entscheidung zwar in der Tat zu einer Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags des einen Lehrers geführt habe. Ansonsten könne sich die Entscheidung aber keinesfalls auf Tausende weitere Fälle auswirken, wie Wachter gemeint hätte. Ob diese Ansicht einer gerichtlichen Überprüfung standhielte, ist allerdings offen.

"Verzweifelter Versuch der Rechtfertigung"

Gustav Wachter bezweifelt das stark. Für ihn ist der neue §7a ein "verzweifelter Versuch einer Rechtfertigung im Nachhinein". Der Experte hält die österreichische Rechtslage mit jener (Berliner) im Fall Hennings für nicht vergleichbar. Dort hätten sehr vielen Beamten Verluste bei der Entlohnung gedroht, und um diese abzuwenden, sei eine Übergangsbestimmung geschaffen worden. Die österreichische Regelung ist hingegen keine Übergangsbestimmung, sondern wirkt ununterbrochen fort.

Wachter stellt auch die rechtliche Qualität der neu eingefügten Bestimmung in Zweifel. Entweder die österreichische Regelung widerspricht dem Unionsrecht - wie es der VwGH kritisiert hat -, denn hilft die trotzige Konformitätsbestätigung nicht. Oder sie entspricht ihm, dann wäre sie nicht nötig. Im Privatrecht würde man angesichts dieser Bestimmung statt von einer Willenserklärung (mit unmittelbaren rechtlichen Wirkungen) von einer Wissenserklärung (beschreibenden Charakters) sprechen.

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