Die Europäische Zentralbank verleiht ihr Geld so günstig wie nie zuvor - und schließt eine weitere Zinssenkung nicht aus. Außerdem werden die Banken noch mindestens ein Jahr lang unbegrenzt mit EZB-Geld versorgt.
Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins für die Eurozone im Kampf gegen die Krise auf ein neues historisches Tief gesenkt. Der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank mit Geld versorgen können, werde um 0,25 Prozentpunkte auf 0,50 Prozent herabgesetzt, teilte die EZB am Donnerstag mit. Außerdem können sich die Euro-Banken noch mindestens ein Jahr lang unbegrenzt Geld bei der EZB leihen. Diese Regelung werde mindestens bis zum 9. Juli 2014 verlängert, verkündete EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag. Ursprünglich wäre die Rundumversorgung im Juli 2013 ausgelaufen.
Draghi schließt weitere Zinssenkungen nicht aus. "Wir sind zum Handeln bereit", sagte er bei einer Pressekonferenz in Bratislava.
Angesichts schwacher Aussichten für den Arbeitsmarkt und für die Wirtschaft in etlichen Euro-Staaten war in den vergangenen Wochen der Druck auf die Währungshüter gewachsen, den Leitzins weiter zu senken. Viele Länder der Eurozone haben angesichts der Krise mit massiven Problemen zu kämpfen - auch wirtschaftliche Schwergewichte. In Spanien und Frankreich etwa ist die Arbeitslosigkeit auf einem Allzeithoch. Besonders viele Jugendliche und junge Erwachsene sind in den Ländern ohne Job.
Euro-Wirtschaft wird erneut schrumpfen
"Die Lage am Arbeitsmarkt ist schlecht", sagte auch Mario Draghi. Die pessimistischere Stimmung in der Wirtschaft habe sich zudem ausgedehnt. "Die Zinssenkung soll die Erholung im weiteren Jahresverlauf unterstützen", sagte Draghi. Er geht davon aus, dass es in der zweiten Jahreshälfte wieder bergauf geht Die EU-Kommission erwartet, dass die Wirtschaftsleistung der Eurozone in diesem erneut schrumpft. Bereits im vergangenen Jahr war das Bruttoinlandsprodukt der 17 Mitgliedsstaaten der Währungsgemeinschaft um 0,6 Prozent zurückgegangen. In diesem Jahr rechnet die EU mit einem Rückgang um 0,3 Prozent.
Ob die Leitzins-Senkung wirklich die Konjunktur ankurbelt, ist äußerst fragwürdig. Skeptisch äußerte man sich vor allem in Deutschland dazu. Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) meint etwa: "Der Zinsschritt nach unten ist ein Tribut der EZB an die Rezession in weiten Teilen der Eurozone. Ob er hilft, ist allerdings sehr fraglich". Die Banken hätten bereits zuvor genügend Liquiditätsspielraum für die Unternehmensfinanzierung gehabt, nutzten ihn aber nicht.
"Die mit der Zinssenkung angestrebten positiven Impulse für die Wirtschaft des gesamten Währungsraumes dürften begrenzt ausfallen", betonte auch der deutsche Bundesverband der Volks-und Raiffeisenbanken. "Vielmehr erhöht das noch niedrigere Zinsniveau das Risiko einer Zunahme langfristig unwirtschaftlicher Investitionen in den konjunkturell besser dastehenden Euro-Staaten."
Tiefe Zinsen führen längst zu Wertverlusten
Dass es bei den Mini-Zinsen auf Sparbücher in Österreich in den nächsten Tagen noch weiter bergab geht, ist unwahrscheinlich, zeigt ein APA-Rundruf bei Großbanken. Die Institute verhalten sich abwartend, was die Einlagenverzinsung betrifft. In den meisten Fällen haben die tiefen Zinsen für die Sparer ohnehin schon längst zu realen Wertverlusten geführt.
(APA/Reuters)