Neues Zinstief frisst Sparguthaben auf

Neues Zinstief frisst Sparguthaben auf
Neues Zinstief frisst Sparguthaben auf(c) REUTERS (LISI NIESNER)
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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag den Leitzins auf ein historisches Tief von 0,5 Prozent gesenkt. Zudem stellt sie den Banken ein Jahr lang unbegrenzt Geld zur Verfügung.

Fünf Jahre dauert schon die Finanz- und Wirtschaftskrise. Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Daher senkte die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag den Leitzins von 0,75 Prozent auf 0,5 Prozent. Das ist ein neues Rekordtief. In den USA und in Japan sind die Zinsen noch niedriger. EZB-Präsident Mario Draghi schloss angesichts der Krise weitere Zinssenkungen nicht aus: „Wir sind zum Handeln bereit.“

„Die Presse“ bringt einen Überblick über die Gewinner und Verlierer der Zinssenkung:

Kreditnehmer: Die Minizinsen sollen die Konjunktur ankurbeln. Doch in den europäischen Krisenländern wie Spanien und Griechenland ist die Wirkung begrenzt. Angesichts der ungewissen Wirtschaftsaussichten halten sich Firmen mit Investitionen zurück und nehmen keine neuen Kredite auf. Hinzu kommt, dass viele Banken derzeit auf die Sanierung ihrer eigenen Bilanzen achten und die Kreditvergabe einschränken.

Strafgebühren für Banken?

Um dies zu ändern, denkt die EZB über Strafgebühren nach. Derzeit können Finanzinstitute überschüssiges Geld, das sie kurzfristig nicht benötigen, bei der EZB parken. Sie erhalten dafür keine Zinsen. Nun wollen die Notenbanker einen Schritt weitergehen und mit negativen Zinsen eine Art Strafgebühr einführen. „Wir sind technisch darauf vorbereitet“, so Draghi.

Die dänische Notenbank macht das bereits. Allerdings haben daraufhin die Finanzinstitute die Spesen für Firmenkredite erhöht.

Banken: Die EZB verlängerte das „Rundum-sorglos-Paket“ für die Banken. Demnach können sich Finanzinstitute in der Eurozone noch mindestens ein Jahr lang zu günstigen Konditionen unbegrenzt Geld bei der Zentralbank ausborgen. Diese Regelung wäre im Juli 2013 ausgelaufen und soll nun mindestens bis zum 9. Juli 2014 dauern. Davon profitieren vor allem angeschlagene Banken in Spanien und Griechenland.

Sparer: Die historisch niedrigen Zinsen haben für Sparer katastrophale Auswirkungen. Berücksichtigt man die Inflationsrate und die Kapitalertragsteuer, ist Sparen seit Längerem ein Verlustgeschäft. In Österreich verloren Sparer von 2010 bis 2012 durch die negativen Realzinsen zehn Milliarden Euro. Zum Handkuss kommen auch Lebensversicherungen und Pensionskassen. Diese legen einen Großteil ihres Geldes in Anleihen von sicheren Staaten wie Deutschland an. Damit lassen sich wegen des Zinsniveaus kaum noch vernünftige Renditen erwirtschaften.

Flucht ins „Betongold“

In Deutschland sprachen sich Banken und Versicherungen in einer Erklärung gegen eine Zinssenkung aus: „Jeder Zinsschnitt nach unten lässt die Sparguthaben schmelzen. Damit müssen die Menschen heute mehr als bisher vorsorgen, um ihren Lebensstandard im Alter zu halten.“

Immobilienmärkte: In europäischen Ländern, die wirtschaftlich besser dastehen, verstärkt sich die Flucht ins „Betongold“.

Vor allem in großen Städten könnte das zu einer Überhitzung des Immobilienmarktes führen, weil viele Menschen ihr Sparbuch auflösen und Wohnungen und Häuser kaufen.

Staaten: Werden die Zinsen niedrig gehalten, können die Staaten leichter ihre Schuldenberge abbauen. Die Regierungen nehmen jetzt zu noch günstigeren Konditionen Geld auf. Das erleichtert die Rückzahlung der hochverzinslichen Altschulden. Am Donnerstag fielen die Renditen für spanische, italienische und portugiesische Anleihen auf den niedrigsten Wert seit mehr als einem Jahr.

Damit sinkt der Druck auf diese Länder, die geplanten Strukturreformen und Einsparungen vorzunehmen. In den USA erklärten Vertreter der Notenbank, man werde die Zinsen noch sehr lang – voraussichtlich fünf bis zehn Jahre – niedrig halten.

Auf einen Blick

Die EZB bekämpft die Krise mit noch mehr billigem Geld. Der Leitzins für die Euroländer wurde von 0,75 Prozent auf 0,5 Prozent gesenkt. Das ist der niedrigste Stand seit Einführung des Euro. EZB-Chef Mario Draghi schloss eine weitere Zinssenkung nicht aus. Zudem verlängerten die Notenbanker das „Rundum-sorglos-Paket“ für die Banken bis Juli 2014.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2013)

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