Niedriger Leitzins: Keine Garantie für "blühende Gärten"

Niedriger Leitzins Keine Garantie
Niedriger Leitzins Keine Garantie(c) Reuters (Lisi Niesner)
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Raiffeisen-Chefanalyst Brezinschek betrachtet die Leitzinssenkung als Verzweiflungstat. Nationalbank-Chef Nowotny verteidigt die Entscheidung.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag den Leitzins von 0,75 auf 0,5 Prozent gesenkt. Das ist ein neues Rekordtief. Die Reaktionen auf diesen Schritt der Notenbank fallen äußerst unterschiedlich aus. Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek erkennt in der jüngsten Zinssenkung "irgendwo schon ein bisschen die Verzweiflung und die Begrenzung der geldpolitischen Möglichkeiten überhaupt Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen zu nehmen". Das sagte der Ökonom am Donnerstagabend in der "ZiB2".

Die Unternehmen werden "nicht Kredite aufnehmen, nur weil die Zinsen noch um ein Viertelprozent fallen, sondern sie werden dann investieren, wenn die Nachfrage anzieht, wenn sie merken, dass ihre Umsatz- und die Gewinnaussichten in den nächsten Monaten sich verbessern", sagte Brezinschek, und das sei derzeit "auf der Kippe". Japan habe schon seit 20 Jahren Erfahrung mit niedrigen Zinsen "und wir haben dort im Prinzip keine blühenden Gärten und kein strahlendes Wachstum bekommen".

Nowotny: "Keine Verzweiflungstat"

Nationalbank-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny hat die Zinssenkung auf ein historisch niedriges Niveau indes verteidigt. Die Entscheidung sei "keine Verzweiflungstat", sondern eine Reaktion auf die schwache wirtschaftliche Entwicklung. "Wir sind in einem wirtschaftlichen Einbruch, und daher ist es richtig gegenzusteuern", sagte Nowotny am Freitag im Ö1-Morgenjournal des ORF.

Das Hauptproblem sei derzeit die mangelnde Nachfrage nach Krediten. Unternehmer würden nicht investieren, wenn sie keine guten Aussichten sehen, ebenso hielten sich die Konsumenten zurück. Als Notenbank könne man nur die Angebotsseite positiv beeinflussen, und das bedeute Erleichterungen für Unternehmer oder auch Leuten, die zum Beispiel einen Wohnungskredit genommen haben. Auch die Finanzierung im öffentlichen Bereich könne sich verbilligen.

"Saufen müssen die Pferde selber"

Die EZB wolle weiterhin die "Geldversorgung erleichtern" und die Politik der niedrigen Zinsen "längere Zeit" beibehalten. Dann wüssten Investoren, worauf sie sich einlassen können. "Das sind aber alles Voraussetzungen. Wir allein können Konjunktur nicht schaffen." Nowotny zitierte Maynard Keynes: "Man kann die Pferde zur Tränke führen, saufen müssen sie selber."

Nachteile für die Sparquote befürchtete Nowotny nicht: Zwar sei das niedrige Zinsniveau ein Nachteil für Sparer, aber das Sparverhalten der Menschen hänge weniger von den Zinsen als von deren verfügbarem Einkommen ab. Der Wertverlust durch die über dem Zinsniveau liegende Inflation sei "die Nebenwirkung eines wichtigen Medikaments. Die soll man nicht unterschätzen, aber ich glaube, dass für eine Volkswirtschaft insgesamt die Fragen von Beschäftigung und damit von Wachstum wichtiger sind, weil gerade diese Faktoren die Sparmöglichkeit ganz wesentlich beeinflussen".

(APA)

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