Neonicotinoide: Auch Hummeln wollen überleben

Neonicotinoide: Auch Hummeln wollen überleben
Neonicotinoide: Auch Hummeln wollen überleben(c) EPA (BORIS ROESSLER)
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Nicht nur Bienen sind vom umstrittenen Saatgutbeizmittel bedroht. Aber Hummeln, Wespen und Hornissen werden eben wenig beachtet, sie liefern keinen Honig.

Einen Landwirtschaftsminister gleichzeitig das Amt des Umweltministers ausüben zu lassen, ist etwa so, als ob Silvio Berlusconi offizieller Chef der Mafia würde, als ob man Reinecke zum Wächter des Huhnes machte, den Hund zum Träger der Wurst. Wie soll er denn auch den einzig richtigen Schritt setzen, der geknechtete Landwirtschafts-Umweltminister, und in Brüssel für das Verbot der selbstverständlich und von keiner vernünftigen Menschenseele angezweifelt für das Ableben von Millionen von Bienen verantwortlichen landwirtschaftlichen Saatgutbeizmittel namens Neonicotinoide stimmen? Sitzt ihm doch die allermächtigste Lobby im Gnack. Und das sind nicht die Bauern, sondern die Konzerne, die ihr Geschäft mit Saatgütern und den dazugehörigen Düngern, Spritzmitteln, Unkrautvertilgern, Saatgutbeizen und anderen Chemikalien machen.

Das sollte allerdings das Problem des Ministers und nicht das der Bienen sein. Auch nicht der Wespen und Hornissen, von denen kein Mensch redet, weil sie keinen Honig liefern, die aber genauso am Neonicotinoid verröcheln. Die Hornissen übrigens in der Nacht, weil das ihre Hauptflugzeit ist und weil gern auch nächtens gesät wird, dass das Neonicotinoid nur so staubt. Gegebenenfalls wäre die ministerielle Amtskonstruktion an sich also zu hinterfragen, denn wenn die Menge der ausgebrachten Gifte auf Nachfrage nicht einmal bekannt gegeben, sondern als „Amtsgeheimnis“ deklariert wird, gelüstet es mich schon, Ämter zu stürmen und Minister zu stürzen.

Des Nachbarn Bienenstöcke sind heuer sicher, denn rundherum gibt es zum Glück keine Maisfelder. Das sind die mit den Neonicotinoiden. Sollten Sie in Oberösterreich oder der Steiermark inmitten ausgedehnter Maisäcker wohnen, sind Sie im Frühjahr fesch giftumwogt. Sagt aber keiner was, weil bei Menschen merkt man das alles nicht so schnell wie bei empfindlicheren Insekten, die durch das Gift sofort eingehen oder die Orientierung verlieren, nicht mehr in ihre Stöcke zurückfinden und so weiter. Des Nachbarn Bienen, wie gesagt, sind wohlgepflegt und ausgezeichnet über den Winter gekommen und haben sich nicht reduziert, sondern vermehrt. Sie erstrecken sich längst nicht mehr nur über sein gewaltiges Latifundium, sondern haben auch Teile meines Gartens erobert.

Die Bienen des Nachbarn

Er macht das sehr geschickt. Anfangs tauchten zwei Bienenkästen auf. Dann noch zwei. Heuer, scheint mir, sind es an die sieben, acht, es können sicher noch mehr werden, aber für Bienen ist bei mir natürlich immer Platz. Ich pflanze auch Bienenfreund Phacelia, Sonnenblumen und Honigeschen, betrachte die Felder rundherum und freue mich, wenn es keinen Mais gibt. Vor drei Jahren bekam ich vier Insektenhotels geschenkt, und die hängen seither an einer geschützten Stelle der Gartenhütte. Im ersten Jahr tat sich recht wenig, im zweiten war ungefähr die Hälfte aller Hotelröhren befahren, heuer summt und brummt es da drinnen, dass es eine Freude ist.

Wenn schon ständig von der gefährdeten Honigbiene die Rede ist, so kommen jetzt auch die Wildbienen dran: Es gibt über 550 Arten hierzulande, die meisten von ihnen sind Solitärbienen, also Einzelgängerinnen, die nicht, wie die Honigbiene, sozial in Völkern leben. Viele von ihnen nisten im Erdboden, andere in Totholz, in Gestein oder in anderen geeigneten Hohlräumen wie Schneckenhäusern. Und wenn wir schon dabei sind: Hummeln sind ebenfalls Wildbienen. Große halt. Die leben allerdings in Völkern, und auch sie sind, wie die anderen Bienen, wichtige Bestäuberinnen. Es gibt sogar Pflanzen, die fast ausschließlich von Hummeln bestäubt werden, wie etwa der Fingerhut, Lupinen, Wicken, Erbsen und Bohnen.

Nicht aus diesem Grund, sondern aus Prinzip kam also ein großes Schweigen über den Nachbarn, als er eines Abends vier tote Hummeln im Ziergärtlein der Nachbarin vorfand, und zwar genau dort, wo sich der Gartenschlauch durch eine sinnige Konstruktion wie von selbst aufrollt. Anklagend und schweigend stand er dort und zeigte auf die toten Hummeln. Die Nachbarin sah aus wie der Hund, der die zu bewachende Wurst gefressen hat. „Ich will kein Hummelnest im Schlauch“, sagte sie. Überall könnten sie nisten, die Hummeln, nur nicht im Schlauch. Der Nachbar schüttelte den Kopf und ging zu seinen Völkern.

Für die Gartenhütte

Andrea Heistingers soeben erschienenes „Arche Noah. Das große Biogarten-Buch“ (Löwenzahn, 39,90 €) ist, wie nicht anders zu erwarten war, eine Wucht. Jeder, der gern Gemüse, Obst, Kräuter und andere vernünftige Dinge zieht, seinen Garten biologisch bewirtschaften und alles wirklich ganz genau wissen will, wird seine Freude damit haben. Ein Buch, das man am besten gleich in die Gartenhütte mitnimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2013)

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