"Diplomatischer Arm" des jüdischen Volkes

Der Jüdische Weltkongress setzt sich seit 1937 für die Rechte der Juden weltweit ein.

Er bezeichnet sich als „diplomatischer Arm des jüdischen Volkes“: Der Jüdische Weltkongress (WJC) ist eine weltumspannende Lobby in jüdischen Belangen. Gegründet wurde die Organisation, die ihrerseits jüdische Gemeinden in 100 Ländern als Mitglieder hat, im August 1937 in Genf unter dem Eindruck der erstarkenden nationalsozialistischen Bewegung. Seither sind 75 Jahre vergangen.

Der WJC und seine jeweiligen Langzeitpräsidenten – seit 2007 ist es Ronald S. Lauder, der in den Achtzigerjahren für kurze Zeit als US-Botschafter in Österreich gedient hat – setzten sich in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg stark für die Wiederherstellung der Rechte der Juden ein.

Da ging es um die Unterstützung Israels sowie (vor allem im Ostblock) um das Recht, nach Israel auswandern zu dürfen. Es ging aber auch um Entschädigungszahlungen an Nazi-Opfer sowie um die Rückgabe des Nazi-Geldes auf Schweizer Banken. Und schließlich gibt es eine österreichische Episode, in der der WJC eine wichtige Rolle spielte: die Affäre rund um den früheren UN-Generalsekretär Kurt Waldheim, der seine Beteiligung an der SA-Reiterstaffel bei seinem Wahlkampf verschwiegen hat. Der WJC setzte unter anderem erfolgreich durch, dass Waldheim auf eine „Watch List“ der USA kam und zeitlebens nicht in die Vereinigten Staaten einreisen durfte. Die Österreicher wählten Waldheim 1986 dennoch zu ihrem Bundespräsidenten.

Alle vier Jahre findet die Vollversammlung des WJC statt, dieses Jahr vom 5. bis 7. Mai in Budapest – erstmals in einem osteuropäischen Land übrigens. Dass ausgerechnet Ungarn als Veranstaltungsort ausgewählt wurde, ist kein Zufall. Der WJC wolle ein Zeichen der Solidarität mit den ungarischen Juden setzen, heißt es. Rund 500 Delegierte jüdischer Organisationen werden an der Tagung teilnehmen. Auf der Tagesordnung stehen das Judentum global betreffende Themen, das Erstarken von Neonazi-Parteien sowie die Lage im Nahen Osten. Der ungarische Premier Viktor Orbán wird bei der Eröffnung der Vollversammlung eine Rede halten.

Er halte Orbán „nicht für einen Antisemiten“, sagte WJC-Präsident Lauder dem „Tagesspiegel“. Aber es gebe in der Regierungspartei Fidesz „genügend Judenfeinde“, die offen hetzen, ohne dass ihnen Grenzen aufgezeigt würden. Dass Viktor Orbán auf der Versammlung eine Rede halten wird, ist ein nicht unumstrittener Schritt. Lauder verteidigt dies, ließ aber gleichzeitig wissen: „Von einer Null-Toleranz-Politik gegenüber Rassismus und Antisemitismus ist Ungarn noch weit entfernt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2013)

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