Kampf gegen Pestizide: Tödlich, aber nur Nebenschauplatz

Das Verbot dreier Neonicotinoide durch die EU wird das Bienensterben wohl nicht stoppen - denn das hat viele Ursachen.

Bienensterben. Das klang nach etwas, das weit, weit weg passiert, vielleicht in der hochindustrialisierten Landwirtschaft von Kansas oder in den pestizidverseuchten Provinzen Südchinas – jedenfalls nicht hier, in den blühenden Auen des Mostviertels. Eine Illusion, die für Rene G. Anfang 2012 platzte: Drei gesunde Völker, je mehrere tausend Bienen stark, hatte der Hobbyimker im Herbst eingewintert. Bei der ersten Frühjahrskontrolle waren nur noch einige hundert Bienen zu sehen, in Todesstarre festgekrallt an vollen Honigwaben. Völkerverlust: 100 Prozent.

Eine Erfahrung, mit der G. nicht allein war: 2012 war insgesamt ein Horrorjahr für Österreichs Imker. Mehr als ein Viertel aller Bienenvölker hat den Winter nicht überstanden, hält eine Studie der Universität Graz fest – in einem „normalen“ Jahr stirbt dagegen nur etwa jedes zehnte Volk.

Eine Ursache für das Bienensterben sind, das ist wissenschaftlich nachgewiesen (zuletzt etwa publiziert in Nature am 21. Oktober 2012), die sogenannten Neonicotinoide: Nervengifte, die für Insekten tödlich wirken, für Menschen und andere Säugetiere dagegen unschädlich sein sollen. Üblicherweise werden diese Gifte als sogenannte „Beizen“ direkt auf das Saatgut aufgetragen und sind damit in der ganzen Pflanze zu finden – sowohl in Nektar und Pollen, die von Bienen gesammelt werden, als auch in den Wurzeln, wo viele Schädlinge ansetzen.

Bereits vier Nanogramm, also ein vier milliardstel Gramm dieser Gifte sind für eine Biene tödlich – geringere Dosen führen zu Orientierungsstörungen und anderen Schäden, die das Überleben des Volks beeinträchtigen können. In Österreich wurden 2008 rund 16 Tonnen jener drei Neonicotinoide ausgebracht, die die EU nun auch gegen Berlakovichs Stimme für zwei Jahre verbieten will.

Der Grund dafür liegt ausgerechnet in einem anderen ökologischen Grundgedanken, nämlich dem Widerstand gegen gentechnisch veränderte Pflanzen. Andere Länder setzen solche ein, um etwa dem gefürchteten Maiswurzelbohrer, einem der zerstörerischsten Schädlinge, Herr zu werden. Österreich verweigert aber bekanntlich die Aussaat genetisch modifizierter Pflanzen – weswegen Bauernvertreter wie der Landwirtschaftsminister argumentieren, dass Beizmittel notwendig wären, um die Lebensgrundlage der Bauern, die Ernte, zu sichern.

Dass es mit der Fruchtfolgewirtschaft, also dem jährlich abwechselnden Anbau verschiedener Pflanzen auf einem Feld, ein weiteres effektives und ökologisches Mittel gegen die Ausbreitung des Maiswurzelbohrers gäbe, sagen sie nicht dazu. Vielleicht, weil diese einerseits beträchtlichen Aufwand mit sich bringt – und andererseits, weil damit Einbußen bei der (derzeit aufgrund hoher Marktpreise besonders lukrativen) Maisernte in Kauf genommen werden müssten.

Bleiben also die Neonicotinoide, von denen selbst die dem Umweltministerium unterstellte Ernährungssicherheitsagentur Ages im Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Melissa“ festhält, dass es vor allem in Mais- und Ölkürbisanbaugebieten Bienenschäden durch neonicotinoide Beizmittel gebe.
Entspannung, aber keine Lösung. Auch wenn das temporäre Verbot der Neonicotinoide nun eine Entspannung für Imker in Maisbaugebieten bringen dürfte: Dass damit alle Probleme gelöst sind, ist unwahrscheinlich. Denn obwohl die Schädlichkeit der Pestizide als erwiesen gilt – sie stellen nur eine (durch ihr Verbot vergleichsweise einfach einzudämmende) von mehreren Ursachen für das Bienensterben dar. Das zeigt sich schon darin, dass Neonicotinoide in Österreich seit mehr als 15 Jahren eingesetzt werden – ohne dass es bis vor Kurzem zu einem großflächigen Sterben gekommen wäre.

Die Völkerverluste haben nämlich viele Ursachen. Am problematischsten ist dabei die Varroamilbe: Der vor rund 30 Jahren aus Asien eingeschleppte Parasit beißt sich ähnlich einem Zecken an den Bienen fest, vermehrt sich in den Waben und schwächt ganze Völker so nachhaltig, dass viele den Winter nicht überleben oder nicht mehr genug Abwehrkräfte gegen andere Schadensfaktoren (wie Pestizide) aufbringen können. Die aufwendige chemische Behandlung gegen die Milbe hat nur dann Erfolg, wenn sie flächendeckend, von allen Imkern einer Region durchgeführt wird – sie ist aber den einzelnen Imkern überlassen und wird somit kaum kontrolliert.

Und dann gibt es noch die unter Imkern stark diskutierte Frage, ob die Carnica-Biene – die in Österreich verbreitetste Rasse, gezüchtet auf Produktion und einfache Handhabung hin – für moderne Herausforderungen wie Abgase, Varroa, Handystrahlen und Pestizide am geeignetsten ist. Alles Fragen, die für die Zukunft der Bienen in Österreich mindestens so wichtig sind wie das Verbot der Neonicotinoide.

In Zahlen

26Prozent aller

Bienenvölker in Österreich haben den Winter 2011/12 nicht überlebt. Normalerweise sind es um die zehn Prozent, die den Winter nicht überleben.

16Tonnen der Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethodam, die die EU nun verbietet, wurden in Österreich 2008 eingesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2013)

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