Aufregung um „Schwulen-Sager“ über Keynes

Niall Ferguson
Niall Ferguson(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Historiker Niall Ferguson sagte, Keynes habe sich nicht um die Zukunft gekümmert, weil er homosexuell war.

Wien/Reuters/Jaz. Er hatte das größte Comeback einer volkswirtschaftlichen Theorie seit Langem: der Keynesianismus. Seit Ausbruch der Krise berufen sich weltweit Politiker und Ökonomen auf die Lehren des britischen Wirtschaftswissenschaftlers John Maynard Keynes (1883–1946). Dessen Hauptthese war, dass in einer Krise der Staat mittels öffentlicher Ausgaben die ausbleibende Nachfrage des privaten Sektors ersetzen solle, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Keynes sagte zwar auch dazu, dass dieses „deficit spending“ (Defizitfinanzierung) durch Budgetüberschüsse in konjunkturell guten Jahren wieder kompensiert werden soll. Aber nicht zuletzt weil Politiker auf diesen zweiten Teil in der Regel vergessen, gibt es unter Ökonomen auch große Ablehnung gegenüber dem „Keynesianismus“.

Kritiker: Raubbau an der Zukunft

Die Kritiker sehen „deficit spending“ nämlich als Raubbau an der Zukunft, da eine kurzfristige Stärkung der Wirtschaft in der Gegenwart durch Schulden gekauft werde, für die kommende Generationen zu zahlen haben. Und da diese Schulden nicht zuletzt durch Zinsen auch laufend wachsen, werde diesen Generationen jeglicher finanzielle Spielraum genommen, bevor sie geboren werden.

Einer der bekanntesten Kritiker von Keynes und der von ihm begründeten Lehre ist der schottische Wirtschaftshistoriker und Harvard-Professor Niall Ferguson. Und Ferguson sorgte mit einer Aussage am Rande einer Rede vor Investoren in Kalifornien nun für gehörige Aufregung unter der globalen Ökonomenschaft. So meinte Ferguson, dass Keynes sich nicht um die langfristige Zukunft gekümmert habe, weil er „schwul war und keine Kinder hatte“. Er bezog sich damit auf ein berühmtes Zitat von Keynes, in dem dieser zur Kritik an der Kurzfristigkeit seiner Theorie meinte: „Langfristig sind wir alle tot.“

Entschuldigung im Blog

Nachdem massive Kritik über Ferguson hereingebrochen war, entschuldigte sich dieser nun in seinem Blog. Seine Aussage sei „dumm und unsensibel“ gewesen. Natürlich würden sich auch Leute ohne Kinder um die Zukunft sorgen. Zudem habe er vergessen, dass Keynes' Frau (er war trotz Homosexualität verheiratet) eine Fehlgeburt hatte. Seine Kritik an Keynes habe nichts mit dessen sexueller Orientierung zu tun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Historiker Sozialstaat zerstoert sich
International

Historiker: "Der Sozialstaat zerstört sich selbst"

Der britische Historiker Niall Ferguson sieht die Welt in einer Neuauflage der 1920er-Jahre. Nur dass die Staatsschulden diesmal nicht von Kriegen kommen, sondern vom Sozialstaat.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.