Jüdischer Weltkongress von Orbán enttäuscht

Jüdischer Weltkongress von Orbán enttäuscht
Jüdischer Weltkongress von Orbán enttäuscht(c) REUTERS (LASZLO BALOGH)
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Der ungarische Premier Viktor Orbán habe sich bei seiner Rede vor der Vollversammlung des Jüdischen Weltkongresses für viele Beobachter nicht stark genug von rechtsradikaler Jobbik abgegrenzt.

Budapest. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle fand am Montag beim Jüdischen Weltkongress (WJC) in Budapest deutliche Worte: Der Antisemitismus habe weder in Berlin noch in Budapest noch sonst wo in der Welt etwas zu suchen.
Tags zuvor hatte Ungarns nationalkonservativer Ministerpräsident Viktor Orbán vor der Vollversammlung des WJC versucht, den immer wieder gegen Ungarn vorgebrachten Antisemitismusvorwurf zu entkräften. Orbán betonte, dass der Antisemitismus „inakzeptabel und unerträglich“ sei. Er versicherte seinem jüdischen Publikum, dass es seine Regierung als „moralische Pflicht“ betrachte, in Sachen Antisemitismus eine „Null-Toleranz-Politik“ zu verfolgen. Der ungarische Premier erinnerte ferner daran, dass seine erste Regierung (1998–2002) in Ungarn nicht nur einen Holocaust-Gedenktag eingeführt habe, sondern auch ein Holocaust-Gedenkzentrum habe erbauen lassen.

Nein zu Koalition mit Jobbik

Orbáns Worte vor dem Jüdischen Weltkongress gingen für viele, die in Budapest bei seiner Rede anwesend waren, nicht weit genug. Die stellvertretende WJC-Präsidentin, Charlotte Knobloch, meinte zur linksliberalen Zeitung „Népszabadság“, dass sie von Orbán „enttäuscht“ sei. Wie Knobloch sagte, hat „ein Politiker von großem Format“ vor dem WJC gesprochen, „jedoch nichts gesagt“. Der JWC übte sogar in einer offiziellen Stellungnahme Kritik am ungarischen Premier und drückte sein Bedauern darüber aus, dass Orbán keine klare Grenze zwischen seiner Regierung und der radikalen Rechten gezogen habe.

Orbán ging bei seiner Rede vor der WJC-Vollversammlung tatsächlich nicht auf die radikale Rechte in Ungarn ein, wenige Tage vor Beginn des WJC hatte er in einem Interview aber kategorisch ausgeschlossen, jemals mit Jobbik zu kooperieren oder gar eine Koalition einzugehen.

Jobbik hatte am vergangenen Samstag bei einer „antizionistischen“ Demonstration in Budapest unverhohlen gegen das Judentum gehetzt. Jobbik-Abgeordneter Márton Gyöngyösi, der als „künftiger Außenminister“ einer Jobbik-Regierung vorgestellt wurde, sagte etwa, dass Ungarn eine „Besatzungszone und Kolonie des Zionismus“ sei, wo „uns, den Eingeborenen nur eine Statistenrolle zukommt“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2013)

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