Vorsicht! Wer ins Spital muss, setzt sich etlichen Risken aus

Wir sind Spitzenreiter einer neuen OECD-Studie: Österreich belegt Spitzenplätze bei Spitalsaufenthalten und auch bei Versorgungskosten.

Panikmache ist nicht unser Anliegen, das überlassen wir der Ärztekammer. Sie sollten aber wissen, dass Sie sich bei einem Spitalsbesuch gewissen Risiken aussetzen. Über diese Risken wissen auch alle Bescheid: die Gesundheitspolitiker, Spitalsmanager, Primarärzte und die Spitzen von Ärztekammer und Krankenkassen. Und alle drücken sich weg.

Warum? Um die Patienten nicht zu verunsichern (natürlich) und um das eigene Wegschauen zu kaschieren. Schließlich leben sehr viele Menschen sehr gut von der höchsten Krankenhaushäufigkeit der Welt.

Denn statt die Ressourcen auf weniger Spitäler und weniger Patienten zu konzentrieren und echte Spitzenmedizin anzubieten, saugen all die vielen kleinen Provinzspitäler wertvolle Ressourcen ab und gefährden nebenbei die Gesundheit ihrer Patienten. Aber, so die Landesfürsten, Wähler fühlen sich mit einem Spital in direkter Umgebung wohler. Und zufriedene Wähler sind gute Wähler.

Aber vor allem sind Spitäler wichtige Arbeitgeber und die Landesfürsten können hoheitlich über karrieremäßige Auf- oder Abstiege entscheiden. Doch selbst die Landesfürsten spüren den zunehmenden Kostendruck.

Hyperaktive Randspitäler

Das ist wiederum der Grund, warum viele kleine Spitäler, die um ihre Existenz fürchten, mit einer enormen Leistungsschau reagieren. Die Folge: In Österreich werden mehr Blinddärme, Mandeln, Gallenblasen, Hüft- und Kniegelenke operiert als in fast jedem anderen EU-Land. Auch bei Herzkatheter-Untersuchungen liegen wir ganz vorn, eine Leistung, die bei uns sogar in Kleinstspitälern angeboten wird.

Kurzum: In unseren Spitälern werden viele Leistungen erbracht, die schlicht nicht notwendig wären – und das wohl nur, weil es so viele Spitalsbetten gibt. Problematisch ist auch, dass man sich sehr komplexe Eingriffe an sehr kleinen Spitälern zutraut. Was macht es schon, ob eine Operation nur viermal im Jahr durchgeführt wird? Operation am Pankreaskarzinom im Landeskrankenhaus Horn oder Zwettl? Kein Problem.

Die fehlende Schwerpunktsetzung medizinischer Leistungen ist auch ein Grund dafür, warum so viele Krankentransporte zwischen den Spitälern stattfinden. Patienten werden mit schwerwiegenden Komplikationen und Notfällen zwei bis dreimal durch die Gegend gefahren, bis sie an der richtigen Stelle sind, weil kaum mehr ein Standort die gesamte Versorgungskette leisten kann. Zu einem Versorgungsplan, sprich einer Kombination aus niedergelassenen Ärzten, Tagesambulanzen und Zentralspitälern, konnte man sich bisher aber leider nicht durchringen.

Erschwerend kommt hinzu, dass in Österreich transparente Instrumente zur chirurgischen Qualitätskontrolle fehlen. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Patienten und ihre Angehörigen können sich mit kritischen Fragen auf die Hinterbeine stellen. Die folgenden Anregungen könnten hilfreich sein, den Anspruch auf Vollständigkeit stellen wir nicht.
•Für chronische und ältere Patienten gilt: Den Medikationszettel mitnehmen, da sonst das Risiko der Übermedikation und bei häufigen Spitalsaufenthalten die Gefahr einer Opium-Abhängigkeit oder Niereninsuffizienz besteht. Wichtig ist auch, eine Vertrauensperson mitzunehmen. Eine Begleitperson verstärkt bereits die Achtsamkeit, die man Patienten bei der Anamnese entgegenbringt.

Der wirklich gute Arzt

•Unser Sozialversicherungsrecht erlaubt Patienten nicht, eine ärztliche Zweitmeinung auf Kosten der Krankenkassen einzuholen. Vor einem größeren chirurgischen Eingriff sollten Patienten aber eine weitere Meinung einholen. Wird dieses Anliegen vom behandelnden Arzt verwehrt, weiß man, was man von „seinem“ Arzt zu halten hat. Ein guter Arzt wird seine Patienten immer darin unterstützen, sich ein Bild ihrer Krankheit zu machen.
•Ebenfalls gut zu wissen und daher nachzufragen ist: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer intensivmedizinischen Nachsorge nach einer Operation? Kann sie im selben Spital geleistet werden? Wie arbeitet der Spitalsarzt mit dem Hausarzt zusammen, und werden die Daten so aufbereitet, dass der damit weiterarbeiten kann? Erhalten Patienten darauf keine oder nur ausweichende Antworten, sollte ein anderer Arzt oder ein anderes Spital aufgesucht werden.
•Im Falle einer Krebserkrankung ist es wichtig, eine Spezialabteilung für Onkologie aufzusuchen. Zentrale Fragen sind: Existiert ein Tumor-Board und werden an der Abteilung wissenschaftliche Studien durchgeführt? In Spitälern, in denen Studien durchgeführt werden, ist der Therapieerfolg für Patienten generell am größten. Für wissenschaftliche Arbeiten gibt es eigene Internet-Suchmaschinen, die schnell Auskunft geben, ob das gewählte Spital forscht oder nicht.
•Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie werden in unserem System aber so behandelt. Zu einem eigenen Strukturplan für Kinder konnten sich die Verantwortlichen nicht zusammenraufen. Aber Eltern können den fehlenden Strukturen begegnen, indem sie ihr verletztes oder krankes Kind nur in ein Spital bringen, das über eine Kinderambulanz verfügt.

Es hat keinen Sinn, ein Spital ohne Kinderambulanz anzusteuern, weil dort schlicht nicht die nötige Erfahrung und Expertise herrscht. Auch bei gängigen Eingriffen ist Vorsicht geboten. Gerade Mandeloperationen gehören dazu und werden in kleinen Spitälern oft als wohnortnahe „Service-Leistung“ angeboten. Grundsätzlich kommt eine Mandeloperation nur in Betracht, wenn Kinder deswegen ständig krank sind.

Ist ein Eingriff unumgänglich, immer nachfragen, nach welchen Kriterien die Entscheidung für eine Operation getroffen wird und ob der operierende Arzt garantieren kann, dass die Versorgungskette nicht abreißt. Kann nämlich operiert, aber bei Nachblutungen nicht rasch versorgt werden, sollte man das Spital verlassen.

Brutstätte für Systemfehler

•Für Leistenbruch-Operationen gilt: Suchen Sie als Eltern nach der Diagnosestellung unbedingt einen Kinderchirurgen auf. Und: nachfragen, ob mit Kinderanästhesisten zusammengearbeitet wird.

Denn fest steht: In unserem Spitalssystem biegen sich die Balken vor Systemfehlern und der Untätigkeit und Unfähigkeit einer politischen Klasse. Statt Offenheit, Interdisziplinarität und Qualitätsentwicklung herrschen Schweigen und Vertuschung. Wer kritisch ist, wer nachfragt, gilt schnell als sozial auffällig und ist kein Patriot. Zum Wohle Ihrer Gesundheit und zum Wohle Ihrer Familie sollte es Ihnen das aber wert sein!

Zu den Autoren


E-Mails an: debatte@diepresse.com

Christina Aumayr-Hajek, (*1977 in Linz) studierte in Wien Publizistik, Philosophie und Psychologie. Die Kommunikationswissenschaftlerin war in Hamburg als PR-Beraterin tätig; 2005 Ministersprecherin in Wien. Seit 2008 freiberufliche Kommunikationsberaterin.

Ernest Pichlbauer (*1969 in Wels) ist unabhängiger Gesundheitsökonom. Nach dem Medizinstudium war er Universitätsassistent an der Pathologie des AKHs Wien. 2003 der Wechsel in den Bereich der Gesundheitsversorgung. Er ist Autor von rezeptblog.at. [Beide Fotos: Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.