„Dynastische Erbfolge“ ist äußerst selten

Menschen & Mächte: 'Josef Krainer - Die steirische Legende',
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Haslauer und Krainer: Beide Väter waren schon „Landesfürsten“ im übertragenen Sinne des Wortes. Ob Wilfried Haslauer das bundespolitische Gewicht seines legendären Vaters erlangt, muss abgewartet werden.

Die Haslauers“ in Salzburg, „die Krainers“ in Graz – politische Dynastien, wie es sie in der kleinen heimischen Innenpolitik nur zweimal gibt (bzw. gab). Beide Väter waren populäre Landeshauptmänner, beide saßen auf einem Polster von mehr als 50 Prozent der Stimmen, die Söhne verwalteten das Erbe. Beide Ahnen standen für die ÖVP an vorderster Front, beide verweigerten sich standhaft einem Ruf der Bundespolitik, aber ansonsten waren der Wirtschaftsbündler Wilfried Haslauer sen. und der Bauernbündler Josef Krainer sen. diametral verschieden angelegt.

Der legendäre Steirer war Holzknecht, später Standesvertreter der Bauern, schon 1948 wurde Josef Krainer in der Grazer Landstube zum Landeshauptmann gewählt. Der 18-jährige Sohn Josef durfte als Zuschauer dabei sein, wie er erzählt. 23 Jahre lang regierte der Vater, der „lärchene Stipfl“, das Land. 16 sollten es beim Sohn werden. Dem Vater war höhere Bildung verwehrt, dem Sohn ließ er die beste akademische Ausbildung zukommen, in Graz und an der University of Georgia in den USA, an der Johns Hopkins University in Bologna (wie Alois Mock). Noch nie in der Republik ist ein Politiker von der Familie derart auf sein künftiges Amt vorbereitet worden.

„Zwischenregent“ Niederl

32 Jahre später stand „der junge Krainer“ selbst vor den Abgeordneten und trat das Erbe an – nachdem er schon vorher in der Ära des „Zwischenregenten“ Friedrich Niederl der wahre Mächtige in der weiß-grünen Landespolitik war. 1996 trat er von allen Ämtern zurück.

Der Karriereverlauf von Krainer jun. ist ein Lehrbeispiel, dass man sich als profilierter und pointierter Landespolitiker nicht auf Dauer dem bundespolitischen Parkett verweigern sollte. Schon 1971 hätte er in der Wiener Stadthalle ÖVP-Oppositionsführer (nach Hermann Withalm) werden können – er wollte nicht. Zu früh, zu jung, kalkulierte er damals – wahrscheinlich richtig. 1992 hätte er Präsidentschaftskandidat der ÖVP werden können, auch Herbert Krejci war im Gespräch. Aber Krainer empfahl den Diplomaten Thomas Klestil. So blieb seine Lebensbilanz auf die grüne Mark beschränkt.

Strippenzieher im Bund

Und trotzdem prägten die beiden Krainer das Innenleben ihrer Bundespartei nach Herzenslust mit. Der Vater setzte seinen Landsmann Alfons Gorbach als Bundesparteichef und Bundeskanzler durch, als Julius Raab krank und kraftlos wurde; der Sohn setzte auf Erhard Busek als Reformmotor im Bund und schuf in seinem Land eine Denkfabrik, die gesellschaftspolitisch modern agierte und jungen Talenten eine Bühne bot. In der Ära Krainer II war die Steirer-ÖVP zweifellos die modernste Landesgruppe – mit hellen Köpfen.

Freilich waren auch Flops dabei. Eine gröbere Fehleinschätzung war die Ablehnung der Abfangjäger „Saab-Draken“ für das Bundesheer. 1983 war die Wiener Koalition aus SPÖ und FPÖ führungsschwach, also probten die Steirer populistisch den Aufstand gegen die Stationierung der Jets in Zeltweg, statt über Arbeitsplätze zu jubilieren. Krainer wollte sich dem von seinen jungen Löwen inszenierten Volksaufstand nicht entgegenstemmen.

Misstrauen gegen den eigenen Minister

Ein Misstrauensantrag der steirischen VP-Mandatare gegen den „eigenen“ Heeresminister Robert Lichal (inzwischen gab es schon wieder eine Große Koalition) war dann der unrühmliche Gipfel dieser Auseinandersetzung, die für die Steirer nicht zu gewinnen war. Als später der Eurofighter kam, hatte man dies längst eingesehen.

Die Steiermark ist überhaupt ein Sonderfall. Denn der sozialistische Vize des alten Krainer hieß Alfred Schachner-Blazizek. Und als Krainer jun. regierte, war sein Visavis der SPÖ-Vorsitzende Peter Schachner, der Sohn. In grauer Vorzeit hieß der Gründer der steirischen FPÖ Oberst Alexander Götz, später dann wurde Graz vom Bürgermeister Alexander Götz jun. geführt.

Auch Wilfried Haslauer sen. setzte starke Akzente. Er regierte das Land Salzburg von 1977 bis 1989, und zwar in seiner sehr persönlichen Art. Der Kettenraucher und Freund scharfer Getränke war ein Kind der sinnenfrohen barocken Stadt an der Salzach, die von den früheren Fürsterzbischöfen geprägt wurde und deren meisterliche Hand auch heute noch im Stadtbild spürbar ist. Und so wenig Haslauer mit seinem grazilen Körperbau (61 Kilo) den barocken kirchlichen Herrschern ähnelte, so sehr verströmte er in seinem Amtsverständnis dieses Landesfürstliche.

Schon 1960 avancierte er zum jüngsten Kammeramtsdirektor der gewerblichen Wirtschaft. Ungeduld war sein Stil, pfiffige Analysen, witzige Pointen und geschliffene Bosheiten gehörten dazu. Ein solches Talent musste nur ein Jahr lang warten, um in den Landtag einzuziehen. So sagte er auch nicht Nein, als man ihn 1967 zum Vizebürgermeister der Landeshauptstadt wählte. Reibereien mit den Rathausbeamten waren an der Tagesordnung, im Wahlkampf 1979 klapperte er höchstpersönlich 1500 Haushalte ab, rackerte um den Sieg. Doch er war noch zu wenig bekannt. Der Mann liebte keine Niederlagen. „Es war der interessanteste Wahlkampf, den ich je geführt habe, mit einer so gloriosen Niederlage verbunden“, scherzte er später. Auch sein Sohn sollte zunächst zwei Wahlen „glänzend“ verhauen.

Landeshauptmann Hans Lechner, der schon „seit Menschengedenken“ regierte, brauchte einen Nachfolger, natürlich war es Haslauer senior. Sehr zum Ärger von Kammerpräsident Rudolf Sallinger blieb Haslauer in Salzburg. In Wien hätte er Generalsekretär der Kammer werden können. So übernahm er 1976 auch die Landes-ÖVP. 1977 wurde er Hausherr im Chiemseehof. Die Sozialisten höhnten über den „Gewichtsverlust“, der damit einherging. Haslauer bestätigte es lachend: „Genau. Von hundert Kilo Lechner zu 61 Kilo Haslauer.“

Vordenker für Schwarz-Blau

1984 hüpfte dann die ÖVP knapp über die Marke von fünfzig Prozent der Stimmen – dass ihr dabei die allgemeine „Großwetterlage“ zugutekam, die schlechte Stimmung in den ÖVP-regierten Ländern angesichts der rot-blauen Koalition in Wien, das mag erheblich dazu beigetragen haben.

1986 wird der Kärntner Landesrat Jörg Haider neuer FPÖ-Bundesobmann, Norbert Steger verschwindet in der Versenkung, die Koalition wird aufgelöst, es folgt eine Regierungszusammenarbeit zwischen SPÖ unter Franz Vranitzky und ÖVP unter Alois Mock. Das war nicht ganz das, was Haslauer anstrebte: Eigentlich hätte er am liebsten die Sozialisten aus der Regierung gedrängt und mit der FPÖ eine Zusammenarbeit bevorzugt. Etwa mit einem Vizekanzler Norbert Gugerbauer. Doch sein Antrag, eine solche bürgerliche Kleine Koalition anzustreben, erhält im Bundesparteivorstand nur zwei Stimmen: seine – und jene von Alois Mock.

1989 ging Haslauers Ära abrupt zu Ende. Der Aufstieg Haiders kostete die Salzburger ÖVP gleich 6,2 Prozentpunkte. Ein verheerendes Ergebnis, aus dem der Landeshauptmann sofort die Konsequenz zog. Mit hoch erhobenem Kopf, fast ein wenig arrogant – so ging er noch am Wahlabend ab. „Einen solchen Abschied hat er sich nicht verdient“, schrieben damals die „Salzburger Nachrichten“. „Wilfried Haslauer ist verbraucht. Diese Feststellung ist hart, aber Politik ist unbarmherzig.“

Der Geschlagene zog sich zurück. Noch nicht einmal 66 war er, als er starb. Er war immer schon sehr ungeduldig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

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