Warum Österreich auf dem Golan die Stellung halten sollte

Wenn auch die Filipinos abziehen, steht die Golan-Mission der UNO vor dem Aus. Das Vakuum, das dann entsteht, könnte die Region weiter in den Abgrund ziehen.

Die UNO kann immer nur so stark sein, wie ihre Mitglieder sie machen. Auf den syrischen Golanhöhen vermitteln die Vereinten Nationen einen zunehmend erbärmlichen Eindruck. Und das liegt zuvorderst an den Truppenstellerstaaten, die sich in den vergangenen Monaten aus der Verantwortung gestohlen haben. Nach dem Abzug der Japaner, Kanadier und Kroaten erwägen nun auch die Philippinen, ihre Soldaten zurückzuholen.

Die gesamte Golan-Mission wankt. Natürlich kann und soll man sich die Frage stellen, ob der seit 1974 währende Einsatz überhaupt noch sinnvoll ist. Das ursprüngliche Mandat sieht vor, dass die Blauhelme in einer entmilitarisierten Zone den Waffenstillstand zwischen Israel und Syrien überwachen. Doch inzwischen hat sich das Umfeld radikal verändert. Seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs ist das Grenzgebiet nicht mehr entmilitarisiert. Rebellen und die Armee von Diktator Bashar al-Assad tragen ihre Kämpfe seit März 2012 auch in der Pufferzone aus. Die UN-Soldaten können dabei nur zuschauen. Sie haben ja keinen anderen Auftrag, als zu beobachten.

Längst sind die Blauhelme zwischen die Fronten und immer wieder auch unter Feuer geraten. Ihr Risiko hat sich dramatisch erhöht. Trotzdem wäre es ein fatales Signal, wenn die UNO den Einsatz beendete. Aus zwei Gründen: Erstens leisten die Blauhelme auf den Golanhöhen einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Region. Sie haben in den vergangenen 39 Jahren mitgeholfen, die israelisch-syrische Grenze ruhig zu halten. Entscheidend war dabei letztlich, dass weder Israel noch Syrien ein Interesse an einer Neuauflage des Sechstagekrieges von 1967 hatte. Und klar ist auch, dass Israel, wenn es darauf ankommt, immer selbst für seine Sicherheit sorgen und sich dabei nie uneingeschränkt auf die UNO verlassen wird. Doch auch die Regierung in Jerusalem schätzt die Pufferzone, weil sie zusätzliche Berechenbarkeit bringt, auch nach einem Sturz Assads.

Sollte die UNO abziehen, entsteht ein Vakuum. Sowohl Syrien als auch Israel wären dann verlockt, es zu füllen. Die Folge könnte eine direkte Konfrontation sein. Einen solchen Brandbeschleuniger brauchte eine Region, die ohnehin schon in Flammen steht, nicht wirklich.

Zweitens wäre der Imageschaden für die UNO bei einem fluchtartigen Abzug vom Golan gewaltig und fortwirkend. Denn nach den traumatischen Desastern von Srebrenica und Somalia hätte sich wieder einmal bestätigt, dass auf Blauhelme kein Verlass ist, wenn es hart auf hart geht.

Wenn die Filipinos abziehen, bringen sie ihre UN-Soldaten in Sicherheit, aber sie gefährden andere. Denn dann haben Freischärler, Terroristen und andere übelmeinende Kräfte rund um den Globus ein einleuchtendes Rezept vor Augen, wie sie lästige Blauhelme relativ schnell loswerden können. Sie müssen nur ein paar von ihnen entführen und oft genug in ihre Richtung schießen, und schon machen sich die UN-Soldaten vom Acker.

Auf dem Bundesheer ruht nun eine besondere Last. Das österreichische Bataillon ist der letzte Stabilitätsanker auf dem Golan. Zieht es ab, dann ist der Einsatz endgültig beendet. Österreich hat zuletzt mit seiner standfesten Verlässlichkeit gezeigt, dass es seiner Verantwortung gewachsen ist, militärisch und politisch. Das bringt international mehr Renommee als ein Dutzend Heißluftkonferenzen.

Weniger Weitsicht hat das UN-Hauptquartier in New York bewiesen. Der zuständige UN-Untergeneralsekretär Hervé Ladsous hätte früher ausloten müssen, auf welche Truppenstellernationen auf dem Golan im Ernstfall nicht zu zählen ist. Und er hätte sich zeitgerecht um Ersatz umsehen sollen. Zudem wäre es zielführend gewesen, gleich beim ersten Eindringen der syrischen Armee und der Rebellen in die entmilitarisierte Zone vor mehr als einem Jahr laut und vernehmlich Alarm zu schlagen. Internationaler Druck und ein robusteres Mandat für die UN-Truppen hätten zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch abschreckend wirken können. So haben es die Vereinten Nationen, das heißt der Untergeneralsekretär und einzelne Mitglieder, mit vereinten Kräften auf dem Golan fast schon vergeigt.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

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