Die Ermittler versuchen, mehr über die Zeit der Gefangenschaft zu erfahren. Das finnische Paar hat angegeben, es sei gut behandelt worden.
[Wien/Sanaa/Helsinki/Ag./som] Kennt man die Vorgeschichte nicht, so könnte man meinen, Dominik N. wäre von einem Businesstrip zurückgekehrt. Auf dem einzigen Foto, das bislang nach seiner Befreiung veröffentlicht wurde, steht er auf der Fahrgasttreppe eines Flugzeugs und winkt. Er ist adrett gekleidet, trägt eine beige Stoffhose und ein blau-weiß gestreiftes Hemd. Seine Haare sind geschnitten, sein Bart, in Gefangenschaft gewachsen, abrasiert. Die heiße arabische Sonne blendet ihn. Das Bild suggeriert: „Die Sache ist gut ausgegangen" - Normalität nach 138 Tagen Ausnahmezustand.
Die Behörden interessiert nun das Dahinter, jene Details, die auf dem Bild nicht zu sehen sind. Etwa: Wer sind die Menschen, denen Dominik N. und das finnische Paar im Jemen ausgeliefert waren? Was waren die Motive für die Geiselnahme: kriminelle oder auch politische? Welchen Situationen waren die Geiseln ausgesetzt, welche Spuren hat die Erfahrung der absoluten Ohnmacht in der Psyche der drei Betroffenen hinterlassen?
Mit Ketten an Füßen gefesselt?
Dem Vernehmen nach befand sich Dominik N. am Freitag vorerst noch abgeschirmt im Heeresspital in Stammersdorf. Seine Entlassung stand aber bevor. Das finnische Paar - Atte und Leila K. - flog am Freitag zurück nach Helsinki.
Der 26-jährige Österreicher und die beiden Finnen waren am 21. Dezember des Vorjahres aus der Altstadt von Sanaa entführt worden. N. und der finnische Mann hatten einen ArabischSprachkurs besucht. Die finnischen Entführten wurden nach eigenen Angaben von den Kidnappern gut behandelt: „Das Essen und Wasser waren gut, und wenn nötig, bekamen wir Medikamente." Das dürfte aber nur eine Seite der Entführung gewesen sein. In den ersten Wochen sollen die Geiseln mit Fußfesseln in engen Räumen gelegen sein. In Folge sollen sie mit Koran-Versen beschallt worden sein. Eine al-Qaida-Gruppierung soll für die Entführung verantwortlich sein. Dies berichtet - ohne Angaben von Quellen - der „Kurier".
Nach Angaben der jemenitischen Behörden sind N. und das finnische Pärchen zuletzt im Stammesgebiet der Hawf in der Provinz al-Mahra an der jemenitisch-omanischen Grenze von radikalen Islamisten festgehalten worden. Der Hawf-Stamm soll sich schließlich auf Druck des Oman, der in dem Fall vermittelte, gegen die Entführer gewandt haben, heißt es in der „Yemen Times". Dem Bericht zufolge seien die Ausländer die vergangenen Monate von ihren Entführern in verschiedenen Stammesgebieten festgehalten worden.
Dem Vernehmen nach sollen die beiden Finnen in stabilerer Verfassung sein. Es ist anzunehmen, dass die beiden aufgrund ihrer beruflichen Vorbereitung gefasster mit der lebensbedrohlichen Situation umgehen konnten: Sie sind, wie erst vor kurzem bekannt wurde, Offiziere der finnischen Armee. Der Mann, Atte K., ist Ausbildner für Auslandseinsätze finnischer Soldaten. Er war im vergangenen Sommer dienstfrei gestellt worden. Seine Frau Leila K. ist Reserveoffizierin und ausgebildete Armee-Flugzeugtechnikerin. Sie arbeitete als Führungskraft beim finnischen Erdölkonzern Neste, meldete das Boulevardportal „Ilta-Sanomat". Ob ihre Entführung mit ihrer beruflichen Tätigkeit zusammenhängt, ist ungeklärt.
Widersprüchliche Informationen gibt es zur Frage des Lösegelds. Die Entführer hatten einem jemenitischen Regierungsvertreter zufolge Lösegeld und die Freilassung von im Jemen inhaftierten Gesinnungsgenossen gefordert; der Oman habe das Lösegeld für die Europäer gezahlt. Er machte keine Angaben über die Höhe.
Sultanat Oman als Vermittler
Auch der deutsche Terrorismusexperte Rolf Tophoven hält es für wahrscheinlich, dass bei der Befreiung Lösegeld geflossen ist. In einer Regierungserklärung war die Rolle des omanischen Sultans hervorgehoben worden. Es sei „glaubhaft, dass der Oman als Vermittler eingeschaltet wurde, um diesen Deal im Auftrag der österreichischen Regierung durchzuführen", sagte Tophoven.
Österreichischen und finnischen Angaben zufolge wurde kein Lösegeld gezahlt. Dem finnischen Staat seien durch die Entführung Kosten von einer halben Million Euro entstanden, hieß es gestern auf einer Pressekonferenz lediglich.
„Regierungen können grundsätzlich nie zugeben, dass sie mit Terroristen verhandeln", so Tophoven. Es sei aber vorstellbar, dass das Sultanat im Auftrag der beiden Staaten agiert habe.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)